Artikel von Jürgen Raßbach
Zur letzten Phase der Beziehung zwischen Christian Morgenstern und Friedrich Kayssler
Am 5. April 1914, einen Tag nach der Trauerfeier für den am 31. M.rz verstorbenen Christian Morgenstern, schrieb Friedrich Kayssler an die Witwe Margareta: «Es hat mir so wohl getan, daß ich mit ihm [Rudolf Steiner] gesprochen habe [...]. Von dem gestrigen Tage geht ein Licht aus, ein Friede, der unbeschreiblich ist. Wir tragen ihn in uns wie ein seliges Glück, es ist nicht anders zu nennen. Es ist, als hätte alles, unser Leben, eine Weihe bekommen. Aber diese Worte sind arm.« Dem Brief war ein mit ›Meinem hingegangenen Freunde‹ überschriebenes Gedicht beigefügt: »Einst schien der Tod ein Abgrund, uferlos und leer, / daran wir, die Verlassenen, hilflos stehn. / Da sah ich Dich, Geliebtester, hinübergehn. / Nun weiß ich mehr. // Ein Abgrund war. Es stürzte eine Welt. / Doch als Dein Bild in Tränenschleiern schwand – / ward uns das innere Auge sanft erhellt, / und eine neue Gegenwart erstand. // Noch fern dem Tode – früher – sagtest Du, / nicht Trauer zieme uns bei Freundes Tod. / Nun halfst Du selber uns aus aller Not / und strahltest sterbend Gegenwart uns zu. // Du wolltest keine Tränen. Nun hab Dank. / Nicht Trauer ziemt uns, denn wir sehn Dich ja. / Der Abgrund blüht, aus Schweigen steigt Gesang. / Der Tod ward uns ein Gleichnis: Du bist da.«