Am 24. Juli 2015 stieg ich mit Katharina Mayumi Okamura auf Japans schönsten und höchsten Berg, den Fuji, im Deutschen auch als Fujiyama bekannt, der sich 3.776 Meter über den Meeresspiegel erhebt, um von dort am Morgen den Sonnenaufgang zu sehen. Lange vorher schon, als die ersten Ideen zu meiner ersten Japanreise im Gespräch mit meinen Freunden Emi und Kazuhiko Yoshida bewegt wurden, sprach ich von meinem Wunsch, diesen meiner Ansicht nach schönsten aller Berge zu besteigen. Damals erfuhr ich, dass man den Aufstieg gut an einem Tag schafft und oben auch übernachten kann.
Erfahrungen in der Corona-Zeit
Seit 1999 gibt es eine Tradition von Inspirationswanderungen, bei denen mehrere Gruppen in verschiedenen Ländern zu jedem der vier großen Jahresfeste – Weihnachten, Ostern, Johanni und Michaeli – sich auf den Weg machen. Bei diesen methodisch schon seit über 40 Jahren weiterentwickelten Wanderungen wird versucht, in meditativer Langzeitaufmerksamkeit zu imaginativen, inspirativen und intuitiven Erfahrungen der evolutionären Aktualisierungsversuche der geistigen Welt zu kommen. In der Corona-Zeit wurden dabei interessante neue Phänomene erlebt, die hier mitgeteilt werden sollen.
Vier Erzählungen über den Wind und die Vergänglichkeit
In Châtelet-sur-Ville, wo ich in den siebziger Jahren lebte, in den Räumen der Alten Schule, gewann ich Zeit – nicht durch Beschleunigung, sondern durch Verlangsamung. Sie wurde mir zugetragen vom Wind, der als Fallwind herüberkam von Riom ès-Montagnes, Laub und Schnee aufwirbelte und meine Haut wie mit Messern schnitt, von den wärmenden Hauchen, die weither aus dem Tal der Dordogne aufstiegen, die Busch und Wiese streichelten, mein Haar und das Fell der Hunde, und vom großen patriarchalischen Wind, der am Tag wie in den Nächten über die Höhen hinging, von den Monts Dômes über die Berge der Margeride bis hin zu den Causses und weiter zum südlichen Meer, schiebend und drängend, immer darauf bedacht, zu ebnen: die Senken zu füllen und die Zinnen zu schleifen.
Was ist das Alter? Ein alter Mensch – wer ist er, wie sieht man ihn, wie wird er bewertet? Spielt das Alter für die Gesellschaft eine wichtige Rolle? Ich will im Folgenden beschreiben, wie ich selbst das Alter empfinde und was es für mich persönlich bedeutet.
Zu Andreas Neider: ›»Bodhisattva-Weg« und »Imitatio Christi« im Lebensgang Rudolf Steiners‹
Ausgangspunkt und roter Faden dieser kleinen Schrift ist das geistige Erlebnis, das der Einweihungsschüler mit dem großen Hüter der Schwelle haben kann. Dieses spielt sowohl in Rudolf Steiners ›Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?‹ als auch in seiner ›Geheimwissenschaft im Umriß‹ eine zentrale Rolle. Wesentlicher Bestandteil dieses Erlebnisses ist, dass der Schüler durch den Hüter vor die Entscheidung gestellt wird, ob er bereit ist, sein gesamtes Leben in den Dienst des Vorankommens der anderen Menschen zu stellen, ja sogar, wenn er sich nicht mehr aus eigener karmischer Notwendigkeit wiederverkörpern muss, trotzdem wieder zur Erde zu kommen, um der Befreiung der Menschheit zu dienen.
Zu Rudolf Steiner: ›Zur Geschichte der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft 1902-1913‹ (GA 250)*
Kaum eine weltanschauliche Organisation war so häufig von Skandalen und Abspaltungen betroffen wie die 1875 gegründete ›Theosophical Society‹, deren Hauptquartier sich im indischen Adyar bei Madras befindet. Gleichwohl übte die Lehre ihrer Gründerin Helena P. Blavatsky, besonders durch ihr Hauptwerk ›The Secret Doctrine‹ (1888), einen tiefen Einfluss auf die europäische Literatur- und Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts aus. Asiatische Weisheitslehren und zahlreiche Begriffe, die bis heute den Esoterik-Markt beherrschen, wie Aura, Chakren, Karma oder Reinkarnation, fanden durch die Theosophie Eingang in westliche Länder. Die ›Theosophical Society‹ gliedert sich in Landesgesellschaften (Sektionen), deren deutsche 1902 in Berlin gegründet wurde. Ihr erster Generalsekretär war bis 1913 Rudolf Steiner.
Zu Sergij Bulgakov: ›Aus meinem Leben‹
In der sechsten Generation orthodoxer Priester, zuvor jedoch, im jüngeren Lebensalter (und mit Schwerpunkt in den 1890er Jahren) einer der führenden Köpfe unter den Marxisten im vorrevolutionären Russland: Diese Spanne markiert nur einen der starken Gegensätze, die das Leben und Wirken Sergij Bulgakovs (1871–1944) bestimmen sollten. Während ein Vladimir Solov’ev im deutschsprachigen Raum weithin bekannt ist und hierzulande auch die Werke des 1937 in stalinistischer Lagerhaft ermordeten Priesters Pavel Florenskij einige Beachtung finden, ist der Name des dritten bedeutenden Lehrers der russischen Sophiologie bislang nur einigen wenigen Interessierten ein Begriff. Dabei könnte man, etwa, was die Ausbildung einer lehrmäßigen Systematik angeht, gerade bei Bulgakov von einer Kulmination der russischen Sophia-Verkündigung sprechen. Grund für seine relative Unbekanntheit ist vor allem, dass bisher kaum Übersetzungen seiner zahlreichen Schriften ins Deutsche vorliegen. Hier Abhilfe zu schaffen, haben sich die Herausgeberinnen auch des vorliegenden zweiten Bandes einer deutschen (in Teilen zweisprachigen) Werkausgabe vorgenommen: Regula M. Zwahlen und Barbara Hallensleben, die das Editionsvorhaben in der Reihe ›Epiphania‹ von der ›Université de Fribourg‹ aus betreiben.
Anmerkungen zu einer modernen Sprachfloskel
»Narrative« – dieser Tage ein vielbemühter Begriff. Doch was ist damit eigentlich gemeint? (Wenn überhaupt.) Einmal dieses, einmal jenes, je nach Belieben, Kontext oder Situation? Eine Inflation der vielf ltigsten Verwendung, bis hin zur Inhaltslosigkeit, ist hier zu beobachten, oft mit einem negativen Touch. Da gibt es viele Beispiele: »narrative Therapie«, »narrativer Konstruktivismus«, »narrative Strukturen«, »narrative Autorität« usw. Ein Versuch zur Begriffsbestimmung, der für den anthroposophischen Leser von besonderem Interesse ist, sei hier genannt. Er entstammt dem Buch ›Der Erzähler Rudolf Steiner‹ von Ulrich Kaiser: »Unter Narrativ verstehe ich hier eine ungeprüfte Hypothese, die wiederholt und unreflektiert wie eine Tatsache (nach)erzählt wird bzw. durch die ungeprüfte Wiederholung quasi zur Tatsache wird.« Das kann es aber doch nicht sein.
Zu Emanuele Coccia: ›Metamorphosen – Das Leben hat viele Formen‹
Der heute 45-jährige Philosoph Emanuele Coccia kann schon auf eine Reihe bemerkenswerter, zum Teil mit Auszeichnung versehener Bücher zurückblicken. Sie sind nicht nur Zeugnis einer interkulturellen Vernetzung zwischen italienischen, französischen, spanischen und deutschen Orten des Studiums und der Lehre, die durch Auseinandersetzungen in Japan, Brasilien oder den Vereinigten Staaten angereichert wurden. Auch das Maß der historischen und sachlichen Spanne seiner Themen ist ungewöhnlich. In Paris hat er einen Lehrstuhl für Geschichte der mittelalterlichen Philosophie. Er schrieb je ein Buch über Werbung, das Leben der Pflanzen und die Rolle der Bilder in der heutigen Alltagskultur sowie in der Philosophie des Averroes. Er kuratierte zuletzt eine Kunst-Ausstellung zu Aspekten der Ökologie der Bäume. Vor zwölf Jahren gab er zusammen mit Giorgo Agamben den ersten Sammelband zur Bedeutung der Engel in der christlichen, islamischen und jüdischen Tradition heraus. – Das sich so dokumentierende, weit gespannte und zugleich dichte Netz seines Denkens rückt nun in ein neues Areal vor, den Bereich der Metamorphose, in dem Coccia mit Hilfe der Insekten über die Pflanzenwelt hinaus denkt und einige ganz universelle und überraschende Thesen über uns, unsere Zeit und die Erde ausbreitet.
Dante Alighieri (*1265 in Florenz; †1321 in Ravenna) zum 700. Todestag
Haben Sie Dantes ›Göttliche Kom die‹ gelesen? Nein? Oder haben Sie guten Willens angefangen und dann aufgegeben? Immerhin, so geht es den meisten. Die Lektüre ist nicht einfach. Aber der Lohn ist groß. Es ist ein Tor, zwar erst mal zur Hölle, aber dann zur Läuterung und schließlich zum Paradies. Ganz nebenbei bekommt man einen Schlüssel zur europäischen Literatur und damit zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Europas in die Hand.
Betrachtungen zu Heinrich Bölls Kurzgeschichte ›Skelett einer menschlichen Siedlung‹
Heinrich Böll war Irland in besonderem Maße verbunden. Er besuchte die Insel ab 1954 mehrfach. In seinem ›Irischen Tagebuch‹ findet diese Beziehung ihren bleibenden Ausdruck. Die Kurzgeschichten erschienen zunächst einzeln in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹, um 1957 als Buch verlegt zu werden. Die folgende Betrachtung bezieht sich auf die darin enthaltene fünfte Erzählung ›Skelett einer menschlichen Siedlung‹.
Es ist viele Jahre her, seit ich einem seiner Vorträge lauschen konnte. Er sprach so lebendig wie er schrieb, packend war seine immense Bildung, und er war großzügig mit Buchgeschenken – so kam ein dicker Band ›Geleit durch meine Pansophie‹ (1992) in meine dankbaren Hände. Und was hat er alles in seinem langen Leben geschrieben, der Schriftsteller, Lyriker, Herausgeber und Journalist! Jaeckle kam am 12. August 1909 in Zürich auf die Welt und verließ sie, nach einem reichen Lebenswerk gesundheitlich angeschlagen, am 2. Oktober 1997, ebenfalls in Zürich. Die Schweizer darf man als Deutscher um vieles beneiden, hier ausnahmsweise um einen Politiker. Denn Jaeckle, in seiner Sorge um das Land, trat 1937 der neu gegründeten Partei ›Die Unabhängigen‹ bei. Diese vertrat er von 1942 bis 1950 im Gemeinderat von Zürich, im Schicksalsjahr 1945 war er dessen Präsident. Von 1947 bis 1962 hatte er einen Sitz im Schweizer Nationalrat inne. Doch seine Teilnahme am politischen Leben schien eher eine Marginalie seines langen, schöpferischen Lebens zu sein, sein Beitrag als Kulturschaffender zur Schweizer Demokratie.
Zum Tod von Friederike Mayröcker (* 20. Dezember 1924; † 4. Juni 2021)
Ein Nachruf für Friederike Mayröcker kann nicht anders als kunterbunt verzettelt sein. So lebte sie, die Wiener Dichterin, die am 4. Juni 2021 mit 96 Jahren gestorben ist. Jahrzehntelang lebte sie mit ihrem Lebens- und Kunstgefährten Ernst Jandl (1925–2000) im selben Haus, aber nicht in derselben Wohnung. Das wäre unmöglich gewesen, denn beider Lebensraum war buchstäblich die Sprache – durchaus bis ins Leibliche zu verstehen.
Muximiches ist ein Wort, das es nicht gibt. Ich habe es einmal aufgeschrieben und später vergeblich in den Wörterbüchern danach gesucht. Auch Googles große Suchmaschine wusste nicht weiter: »Es wurden keine mit deiner Suchanfrage übereinstimmenden Dokumente gefunden.« Ich habe das Wort wohl geträumt. Es scheint aus einer Sphäre zu stammen, wo die Wörter entstehen. Ein Kindersprachgelände und Sprachkindergelände, wo die Wörter noch frei umherlaufen und die Bedeutungen nur lose an ihnen haften, ein Land, wo die Begriffe noch beweglich sind. Muximiches. Das Wort schien nicht arretiert von einer verbindlichen Bedeutung, war noch offen für dies und das und also kaum lexikontauglich.
So disparat wie lesenswert
Ein niederländisches Kleinod
Reminiszenz an ein ungewöhnliches Kaleidoskop
Valentin Tombergs Leben und innerer Ansatz
Christentum und Entwicklungsgedanke
A propos du décès d‘Alain Morau (* 15. Oktober 1973 in Saint Denis/La Reunion – † 14. Juni 2021 in Karben)
Dass unsere Zeitschrift seit diesem Jahr nur noch alle zwei Monate erscheint, stößt bei unseren Leserinnen und Lesern überwiegend auf Zustimmung. Allerdings hat dieser neue Modus auch Nachteile. So erscheint das vorliegende Heft kurz nach der Bundestagswahl, musste aber schon vorher in Druck gehen. Wer die Ausführungen von Gerd Weidenhausen über ›Die Zuschauerdemokratie und ihre Akteure‹ liest, blickt deshalb bereits auf den Wahlkampf zurück, in dessen Endphase dieser Beitrag verfasst wurde. Die grundsätzlichen Fragen, die Weidenhausen bewegt, werden davon aber nicht berührt. Auch die Flutkatastrophe im Nordwesten Deutschlands, die Joachim von Königslöw in ›Vom Schicksal der Flüsse im Anthropozän‹ mit altersweisem Überblick betrachtet, verweist auf eine tiefgehende Krise, deren Bewältigung als Menschheitsaufgabe vor uns liegt. Ähnliches gilt für Sabine Adatepes bewegenden Bericht über die Lage der syrischen und afghanischen Flüchtlinge in der Türkei, der keineswegs als Kritik an diesem Land gemeint ist, sondern als Hinweis auf ein weitaus umfassenderes Problem.
Zur Lage von Geflüchteten in der Türkei
»Wir können keinen einzigen Flüchtling mehr aufnehmen«, tönen unisono offizielle Stellen in der Türkei, wohl wissend, dass täglich weiter »irreguläre Einwanderung« stattfindet. Die Türkei wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, nach dem Zustrom syrischer Flüchtlinge jetzt womöglich Millionen Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Im Land leben offiziell bereits 4,6 Millionen Flüchtlinge, jüngst sprach der Präsident sogar von über fünf Millionen, das wären sechs Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Situation der Schutzsuchenden ist so uneinheitlich wie ihr Profil. Während syrische Geflüchtete, die weitaus größte Gruppe bisher, sich zunehmend integrieren, ist die Zukunft afghanischer Flüchtlinge ungewiss. Ebenso unklar ist, ob bereits 1,5 Millionen Afghanen im Land sind, wie die Opposition behauptet, oder doch »nur« rund 300.000, wie Präsident Erdoğan kürzlich sagte. Jedenfalls mauert die Türkei sich jetzt auch gen Osten ein.
Die Flutkatastrophe an Ahr und Erft
Wir stehen noch immer unter dem Eindruck einer Flutkatastrophe, wie wir sie in diesem Ausmaß in unseren Gebieten noch nie erlebt haben. Sie betraf vor allem das Rheinland und Westfalen; lang andauernder Starkregen ging vom Sauerland über die Eifel bis in die angrenzenden Gebiete Belgiens und Luxemburgs nieder. Mehr als 200 Menschen kamen in den Sturzfluten ums Leben, manche bleiben bis heute vermisst. Nicht die großen Ströme Rhein und Donau, Elbe und Oder waren diesmal die Hauptakteure der Ereignisse, die man voreilig gern »Jahrhundert-Fluten« nennt, sondern kleine Flüsse und Bäche, durch deren enge Täler meterhohe – bisher unvorstellbare – Flutwellen stürzten, die alles wegrissen, was ihnen im Wege war. Die Schäden in den betroffenen Gebieten sind noch unermeßlich.
Politik-Inszenierung im Wahlkampf 2021 am Beispiel der Klimarettung
Eine unter den vielen Eigentümlichkeiten der alle vier Jahre stattfindenden Bundestagswahlen ist, dass die Wahlberechtigten von den um ihre Gunst buhlenden Parteien bei ihren privaten Unzufriedenheiten »abgeholt« werden. Die Politiker versprechen den Wählern, diese Probleme im Falle ihres Wahlsieges zu beheben – insofern und insoweit die mit dem künftigen Koalitionspartner einzugehenden Kompromisse das zulassen. In den Wahlprogrammen werden diese Probleme nach Themengebieten aufgelistet und Lösungskonzepte vorgestellt. Diese Vorstellungen über Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Sicherheits- bis hin zur Außenpolitik sollen den Wahlberechtigten als Orientierung dienen. Die Politiker hoffen, auf diese Weise die Bevölkerung so beeinflussen zu können, dass ihre Partei durch die Stimmabgabe von den Wählern zum Vollzug ihrer Programme ermächtigt werden. Diese Form der Ermächtigung im Sinne eines Delegierens von politischer Handlungsvollmacht an die gewählten Volksvertreter macht den Kern der repräsentativen Demokratie aus. Die allseits gelobte und als beste aller Welten erachtete Staatsform besteht somit darin, dass Privatinteressen der Staatsbürger als gesellschaftliches Problem gewürdigt und in ein ideelles Gesamtinteresse überführt werden. Unter verschiedenen Slogans wie: »Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes«, »Vereinbarkeit von Klimaschutz und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit«, »globale Verantwortung für Demokratie und Menschenwürde« usw. firmieren dann solche als »Gesamtinteresse« ausgegebenen Bündel von Partikularinteressen. Der verantwortungsvolle Staatsbürger soll sich so mit einer »größeren Sache«, dem »nationalen Interesse« oder der »westlichen Wertegemeinschaft« identifizieren können. Die Wahlen garantieren in der repräsentativen Demokratie letztlich das Einvernehmen der Wahlberechtigten über die nach den Wahlen über sie verhängte Politik.
Anmerkungen zu einem Thema, das spaltet
Eine persönliche Äußerung sei den folgenden Ausführungen vorangestellt: Es ist im höchsten Maße tragisch, dass durch die unzähligen Kontroversen zum Thema »Corona« und vor allem über die Frage des (Nicht-)Impfens Bekanntschaften, Freundschaften, Arbeits- und Verwandtschaftsverhältnisse usw. belastet oder gar zerstört werden. Denn trotz aller unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen gibt es Verbindendes, und zwar den beidseitigen Wunsch, selbst gesund zu bleiben, andere Menschen nicht gefährdet zu wissen und in einem gesetzlich gesicherten Rahmen Freiheit sowie eine Normalität der Lebensverhältnisse geachtet und bewahrt bzw. wiederhergestellt zu finden. Nichts könnte die gegensätzlichen Haltungen besser zusammenführen als ein Austausch über die Vorstellungen und Kenntnisse über den besten Weg dahin. Dafür sollen im Folgenden Denkanregungen gegeben werden.
Graue Aussichten mit Grünen Pässen
Ich musste schmunzeln, als ich am 22. Juli – also dem Tag, an dem Maria Magdalena gefeiert wird – erfuhr, dass der italienische Ministerrat, kurz nach der Regierung Frankreichs und fußend auf einer am 1. Juli in Kraft getretenen Regelung der EU-Kommission, zur Eindämmung von Covid-19 die Einführung des Green Pass (Grüner Pass) für den Zugang zu einigen Bereichen des öffentlichen Lebens beschlossen hatte. Und noch mehr musste ich schmunzeln, als ich hörte, diese Maßnahmen würden am 6. August, d.h. am Tag der Verklärung (Transfiguration) Jesu Christi, in Kraft treten. Ich fand es außerordentlich interessant, wie diese zwei Tage eine durchaus geniale symbolische Komposition bildeten: Maria Magdalena ist nämlich nach dem Johannes-Evangelium die erste Zeugin des Auferstandenen (Joh 20, 1-18) und somit der Vollendung jenes Weges, der mit der Verklärung begann (vgl. Mt 17,1-8; Mk 9,2-10 und Lk 9,28-36)4. Am Tabor durchdrang das Licht des schöpferischen Logos die irdische Leiblichkeit mit seiner unerschöpflichen Lebenskraft; so wird das Ereignis der Auferstehung möglich, von dem Maria Magdalena als Erste gezeugt hat.