Artikel von Gerd Weidenhausen
Donald Trump als Präsident
In dem angeblich schmutzigsten Wahlkampf der US-amerikanischen Geschichte hat entgegen allen Voraussagen ein milliardenschwerer politischer Aussenseiter und Quereinsteiger die Wahl zum Präsidentenamt gewonnen. Dieser Wahlsieg dürfte weder alleine der populistischen Stimmungsmache Trumps noch manipulativer russischer Einmischung von außen zu verdanken sein. Dennoch gilt: Mit dem Versprechen, Amerika »wieder groß« zu machen und der operettenhaften Selbstinszenierung als Volkstribun im unermüdlichen Kampf gegen die moralische und politische Verkommenheit des Washingtoner Polit- und Medienestablishments konnte Trump Stimmen bei genau jenen Wählerschichten gewinnen, die einmal das klassische Klientel der Demokratischen Partei gewesen waren.
Seit Jahren ist die Rede davon, dass das gesellschaftliche Klima rauer und die Art und Weise, diverse Themen und Problemfelder zu diskutieren, weniger von sachlichen Argumenten als von hitzigen Emotionen bestimmt wird. Eine Spielart der politischen Debatten, die immer mehr an Einfluss gewinnt, ist dabei die Frage des Umgangs mit Minderheiten, die sich in identitätspolitischen Diskursen artikuliert. Deren »rechte« und »linke« Varianten nisten sich zunehmend in das Lager einer sich als liberal verstehenden »Mitte« ein. Während nun über »rechte« Identitätspolitiken unzählige kritische Studien und Artikel vorliegen und sich rechte Identitätspolitik in ihrer imaginierten ethnisch-nationalen und kulturellen Identität als atavistisches Konstrukt selbst ad absurdum führt und auch kaum Resonanz erfährt, erfreut sich »linke« Identitätspolitik in ihrem Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten einer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz. Das mag auch daran liegen, dass der mit der linken Identitätspolitik einhergehende Opferdiskurs Mitgefühl evoziert. Aber auch das hat eine Kehrseite. Was nämlich den »linken« mit dem »rechten« Identitätsdiskurs verbindet, ist der Glaube an die Macht der Kollektive – wie auch immer diese benannt und ideologisch aufgeladen werden. Und in dem Ensemble gegebener und unveränderbarer Gruppeneigenschaften, als deren Teil sich das Individuum zu begreifen hat, kommt dessen autonome Selbstbestimmung auf der Basis zu erringender Ideale nicht vor.
Politik-Inszenierung im Wahlkampf 2021 am Beispiel der Klimarettung
Eine unter den vielen Eigentümlichkeiten der alle vier Jahre stattfindenden Bundestagswahlen ist, dass die Wahlberechtigten von den um ihre Gunst buhlenden Parteien bei ihren privaten Unzufriedenheiten »abgeholt« werden. Die Politiker versprechen den Wählern, diese Probleme im Falle ihres Wahlsieges zu beheben – insofern und insoweit die mit dem künftigen Koalitionspartner einzugehenden Kompromisse das zulassen. In den Wahlprogrammen werden diese Probleme nach Themengebieten aufgelistet und Lösungskonzepte vorgestellt. Diese Vorstellungen über Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Sicherheits- bis hin zur Außenpolitik sollen den Wahlberechtigten als Orientierung dienen. Die Politiker hoffen, auf diese Weise die Bevölkerung so beeinflussen zu können, dass ihre Partei durch die Stimmabgabe von den Wählern zum Vollzug ihrer Programme ermächtigt werden. Diese Form der Ermächtigung im Sinne eines Delegierens von politischer Handlungsvollmacht an die gewählten Volksvertreter macht den Kern der repräsentativen Demokratie aus. Die allseits gelobte und als beste aller Welten erachtete Staatsform besteht somit darin, dass Privatinteressen der Staatsbürger als gesellschaftliches Problem gewürdigt und in ein ideelles Gesamtinteresse überführt werden. Unter verschiedenen Slogans wie: »Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes«, »Vereinbarkeit von Klimaschutz und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit«, »globale Verantwortung für Demokratie und Menschenwürde« usw. firmieren dann solche als »Gesamtinteresse« ausgegebenen Bündel von Partikularinteressen. Der verantwortungsvolle Staatsbürger soll sich so mit einer »größeren Sache«, dem »nationalen Interesse« oder der »westlichen Wertegemeinschaft« identifizieren können. Die Wahlen garantieren in der repräsentativen Demokratie letztlich das Einvernehmen der Wahlberechtigten über die nach den Wahlen über sie verhängte Politik.
Anmerkungen zum Literaturnobelpreisträger Peter Handke
Als bekannt wurde, dass der österreichische, nahe Paris lebende Schriftsteller Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis 2019 ausgezeichnet werden sollte, hagelte es Kritik an dieser Entscheidung der Schwedischen Akademie. Der US-amerikanische Autorenverband P.E.N. zeigte sich .sprachlos. über die Auswahl und beklagte, mit Handke werde einem Schriftsteller der Literaturnobelpreis verliehen, der »historische Wahrheiten« untergrabe und den »Ausführenden eines Genozids Beistand geleistet« habe. Ähnlich äußerte sich der Preisträger des Deutschen Buchpreises Sasa Stanisić in seiner ›Wut-Dankesrede‹, indem er Handkes Auslassungen in Texten wie ›Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise‹ (1996), ›Unter Tränen fragend‹ (2000) und ›Die Tablas von Daimiel‹ (2005) einen Hang zur Lüge attestierte. Überhaupt kam im Vorfeld der Verleihung des Buchpreises eine Debatte in Gang, die zum einen wie eine Neuauflage und Kopie verschiedenster Handke-Debatten der Vergangenheit anmutete, und zum anderen mehr oder minder unfreiwillig Argumentationsmuster und Diffamierungsstrategien freilegte, auf die Handke in seinen die Jugoslawienfrage tangierenden Schriften immer wieder hingewiesen hat. Denn Handkes Analyse der medialen Berichterstattung über dieses Thema und ihrer suggestiv-manipulativen Mechanismen in Wort und Bild scheint der wahre – und zugleich lässig ignorierte – Grund zu sein, weshalb sich seine Kritiker an ihm abarbeiteten und den alten Vorwurf einer angeblichen Unterstützung des »Schlächters Milosević« reproduzierten.
Zwei Bücher zur Medien-Krise
Im vergangen Jahr sind zwei Bücher erschienen, die auf seriöse, wissenschaftlich fundierte Art und Weise die Ursachen des zunehmenden Misstrauens untersuchen, das viele Menschen gegenüber den Mainstream-Medien empfinden: ›Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen‹ von Uwe Krüger und ›Lückenpresse – Das Ende des Journalismus, wie wir ihn kannten‹ von Ulrich Teusch.*
Seit nunmehr sechs Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg, der sich längst zu einem Stellvertreterkrieg diverser regionaler Staaten sowie der Grossmächte USA und Russland ausgewachsen hat. Folgt man den Zahlen des ›Syrian Center for Policy Research‹, so sind bei einer Bevölkerung von 23 Millionen Menschen inzwischen 470.000 Todesopfer und nahezu zwei Millionen Verletzte zu beklagen, »über vier Millionen SyrerInnen haben das Land verlassen, weitere 6,4 Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht«. Selbst ohne Berücksichtigung der vernichteten Sachwerte werden die Verluste der syrischen Wirtschaft seit 2011 auf 254 Milliarden US-Dollar geschätzt, und der Wiederaufbau der zertrümmerten Infrastruktur würde nach Experten-Schätzungen 150-180 Milliarden US-Dollar kosten. Doch neben der erschütternden Bilanz zerstörter Menschenleben und der materiellen Schäden – die sowohl das syrische Regime und als auch die dschihadistischen Oppositions bzw. Söldnergruppen zu verantworten haben– fällt die systematische Auslöschung des kulturellen Gedächtnisses Syriens durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) und andere mit ihm verbundene dschihadistische Gruppen ins Gewicht. Diese gezielte Zerstörung von Kulturdenkmälern ging mit der Errichtung einer Art von Kalifat in den eroberten Gebieten Syriens einher, in dem der Terror zum »Regierungsprinzip« erhoben wurde. Denn die inhumane und fanatische IS-Ideologie rechtfertigt die Sklaverei von Kindern und Frauen sowie die Vertreibung und den Mord an Andersgläubigen, seien es Schiiten, Alawiten, Jesiden, Christen oder auch moderate Sunniten. Eine Unterstützung dieser Sorte von »Glaubenskämpfern«, aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer, sollte sich eigentlich verbieten – ganz gleich, wie man das syrische Regime im Einzelnen auch bewerten und einschätzen mag.