Artikel von Claudius Weise
Innenansichten der Regierung Trump
Von allen Rivalen Donald Trumps im republikanischen Vorwahlkampf galt John Kasich, seines Zeichens Gouverneur des Bundesstaates Ohio, allgemein als der ernsthafteste und vernünftigste. Wenige Wochen nachdem er Anfang Mai 2016 als letzter aus dem Rennen ausgeschieden war und damit Trump der Weg zur Nominierung offenstand, erhielt einer seiner Berater angeblich einen Anruf von Trumps ältestem Sohn: Ob Kasich daran interessiert sei, der mächtigste Vizepräsident aller Zeiten zu werden? Auf die Frage, wie das denn aussehen solle, habe Donald Trump jr. erklärt, dass der Vizepräsident für die Aussen- und Innenpolitik verantwortlich sein solle. Und wofür sei Trump dann verantwortlich? Worauf die lässige Antwort erfolgt sei: »Make America great again.«
Die Idee einer sogenannten Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP fasziniert seit der Bundestagswahl 2005 wenn nicht die Bevölkerung, so doch die Protagonisten des politischen Diskurses in Deutschland. Der Begriff selbst wurde rund zehn Jahre früher im rheinischen Dormagen geprägt, als dem Redaktionsleiter eines örtlichen Anzeigenblatts, der gerade einen Karibik-Urlaub vorbereitete, die Ähnlichkeit zwischen der jamaikanischen Flagge und der Farbkombination einer möglichen Koalition im Stadtrat auffiel, dessen Wahl 1994 anstand. Aber erst 2005 verdrängte dieser Begriff den der »Schwarzen Ampel« oder »Schwampel«, der schon früher für dieselbe politische Konstellation erfunden worden war. Das war kein Zufall: »Schwampel« klingt nach einem widernatürlichen Hybrid, und als ein solches erschien die Verbindung von Christdemokraten und Grünen, solange jene noch von Helmut Kohl und diese von Alt-68ern angeführt wurden. Nachdem aber Angela Merkel durch politischen Vatermord an die Spitze ihrer Partei gelangt war und sie mit zäher Klugheit auf Modernisierungskurs gebracht hatte, erschien die Vorstellung eines solchen Bündnisses nicht mehr als abwegig, sondern als reizvolle, wenn auch ferne Perspektive. Dazu passte der Name der exotischen Karibikinsel viel besser.
Zu Theodor W. Adorno: ›Aspekte des neuen Rechtsradikalismus‹
Gleichsam als Vorgeschmack auf die Gesamtausgabe der Nachkriegsvortr.ge Theodor W. Adornos hat der Suhrkamp-Verlag den Vortrag ›Aspekte des neuen Rechtsradikalismus‹ herausgebracht, den der große Philosoph am 6. April 1967 vor dem Verband Sozialistischer Studenten Österreichs in Wien hielt. Adorno verfolgte damit, wie er einleitend kundgab, nicht die Absicht, »eine Theorie des Rechtsradikalismus zu geben, sondern in losen Bemerkungen einige Dinge hervorzuheben, die vielleicht Ihnen nicht allen so gegenwärtig sind.« (S. 9). Dass sich die Lektüre dennoch lohnt, liegt daran, dass dem heutigen Leser die meisten dieser Dinge erst recht nicht gegenwärtig sind.
Eine (nicht nur) politische Betrachtung zur Jahreswende
Es ist jetzt sechs Jahre her, dass Siegfried Woitinas (1930–2014) seinen letzten Leitartikel für das Programmheft des von ihm mitbegründeten Forum 3 in Stuttgart verfasste, der den aufrüttelnden Titel ›Zeit der Entscheidung‹ trug. Obwohl ich diesen Essay damals – ich arbeitete selbst im Forum 3 und konnte mich mit Siegfried unmittelbar austauschen – durchaus mit eigenen Beobachtungen in Verbindung zu bringen vermochte, hatte ich keine Ahnung, als wie prophetisch er sich noch erweisen sollte. Das hatte auch damit zu tun, dass die weltpolitische Lage zu jener Zeit vergleichsweise idyllisch wirkte: Barack Obama war gerade wiedergewählt worden, Angela Merkels zweite Legislaturperiode neigte sich ihrem einschläfernden Ende zu, im Elysée-Palast residierte ein farbloser Sozialdemokrat namens François Hollande und in der Downing Street führte mit David Cameron ein europafreundlicher Konservativer die Geschäfte. Auch Wladimir Putin hatte soeben eine weitere Amtszeit als Präsident angetreten, doch mit der Krim verband man damals allgemein nicht mehr als Sekt.
Hintergründe eines Desasters
Anfang Mai, während ihres Besuchs in den sogenannten Sahel-Staaten, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine geradezu sensationelle Bemerkung über das von andauerndem Bürgerkrieg gezeichnete Libyen, die in den deutschen Medien allerdings kaum Beachtung erfuhr. »Deutschland fühle eine Mitverantwortung für die Lage in dem afrikanischen Staat,« berichtete die Agentur Reuters, »weil es sich im UN-Sicherheitsrat 2011 bei der Abstimmung über die westlichen Militärintervention trotz Zweifeln enthalten habe. ›Immer wenn man etwas nicht verhindern kann, hat man auch eine Verantwortung dafür‹, sagte Merkel.«
Ein Jahr Gelbwesten-Proteste
Man stelle sich vor, dass in einem autoritär regierten Land, sagen wir Russland, seit über einem Jahr tausende von Menschen jeden Samstag auf die Straße gehen, um gegen ihre Regierung zu protestieren. Man stelle sich weiter vor, dass die Regierung immer wieder gewaltsam gegen diese Demonstranten vorgeht, mit Tränengas und Gummiknüppeln, aber auch mit Gummigeschossen, die so schwere Verletzungen hervorrufen, dass 24 Menschen ein Auge verloren haben, fünf Menschen eine Hand abgerissen wurde und ein Mann einen Hoden verlor; dass eine 80-jährige Frau starb, weil sie von einer Tränengasgranate ins Gesicht getroffen wurde; und dass Organisationen wie ›Amnesty International‹ und ›Reporter ohne Grenzen‹2 das harte Vorgehen der Polizei kritisieren. Wäre das nicht in unseren Medien ein Thema, das wiederholt behandelt und von moralischen Verurteilungen begleitet würde? Wenn es um Russland ginge, ganz bestimmt. – Aber es geht ja um Frankreich.