Artikel von Claudius Weise
oder: Geistiger Widerstand als Kapitulation
In letzter Zeit wird die Anthroposophie von Kritikern wieder verstärkt in die Nähe rechtsextremistischer Bestrebungen gerückt. Dass das nicht nur mit böswilliger Ignoranz zu tun hat, sondern mit einer echten Herausforderung des Unterscheidungsvermögens, an der auch Anthroposophen scheitern können, zeigt ein symptomatischer Fall, der im Folgenden geschildert werden soll.
Zwei neue Bücher von und über Albert Steffen
Es mag übertrieben sein, von Albert Steffen als einem Unbekannten innerhalb der anthroposophischen Bewegung zu sprechen. Doch angesichts der Tatsache, dass Steffen nicht nur ein enger Mitarbeiter Rudolf Steiners war, sondern nach dessen Tod fast vierzig Jahre lang als Erster Vorsitzender die Anthroposophische Gesellschaft prägte, ist es eine höchst eigentümliche Tatsache, dass erst jetzt eine umfassende biografische Darstellung in Angriff genommen wird. Und auch sonst ist die Literatur dünn gesät. Seit 1984, als Steffens 100. Geburtstag mit mehreren Publikationen begangen wurde, sind ihm ganze drei Bücher gewidmet worden, von denen zwei sich mit den ›Kleinen Mythen‹ beschäftigen. Peter Selgs Studie: ›Albert Steffen – Begegnung mit Rudolf Steiner‹ (Dornach 2009) greift immerhin jenen Aspekt in Steffens Leben und Werk heraus, den dieser wohl auch selbst als zentral bezeichnet hätte.
Was in der Anthroposophischen Gesellschaft leider vorgeht (Forts.)
Es war ein starkes Symbol: Während die zur Frage der Mandatsverlängerung für Paul Mackay und Bodo von Plato abgegebenen Stimmen gezählt wurden, fand auf der diesjährigen Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft ein weiterer Wahlgang statt. Dieses Mal ging es um die offizielle Rehabilitation Ita Wegmans und Elisabeth Vreedes. Der entsprechende Antrag wurde nahezu einmütig verabschiedet. Kurz darauf wurde bekanntgegeben, dass Mackay und von Plato mit jeweils nur knapp über 40% Ja-Stimmen die Bestätigung verfehlt hatten. Hatte sich etwa die Geschichte wiederholt – und sei es nur, wie Marx einst höhnte, erst als Tragödie und dann als Farce?
Was in der Anthroposophischen Bewegung leider vorgeht
Innerhalb der anthroposophischen Presselandschaft nimmt das von der Initiative ›Entwicklungsrichtung Anthroposophie‹ herausgegebene ›Ein Nachrichtenblatt‹ eine eigentümliche Stellung ein. Die als elektronische Datei verschickte Zeitschrift wurde 2011 ins Leben gerufen, nachdem die Herausgeber der Wochenschrift ›Das Goetheanum‹ verkündet hatten, dass die Nachrichten für Mitglieder – bekannt als: ›Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht‹ – nicht mehr als wöchentliche Beilage erscheinen, sondern in den öffentlichen Teil integriert werden sollten. Damit war nach Auffassung der Initiatoren eine spezifische Korrespondenz für Mitglieder, wie sie von Rudolf Steiner angeregt worden war, nicht mehr gegeben. Dass die Wochenschrift überwiegend von Mitgliedern gelesen wird und umgekehrt ›Ein Nachrichtenblatt‹ auch von Nichtmitgliedern bezogen werden kann, hielt die Initiatoren nicht davon ab, zu erklären: »Wir setzen mit der damit gekennzeichneten Veröffentlichungsform ›spezifisch für Mitglieder‹ [...] an einer Arbeitsrichtung an, welche durch eine offizielle Mitgliederbeilage – gemeint ist die wöchentliche, nun in die Wochenschrift hineinfusionierte – nicht mehr betreut wird. Es ist nicht möglich, etwas zu konkurrenzieren, was nicht existiert.« Führt man sich überdies vor Augen, dass alle deutschsprachigen Landesgesellschaften eigene Mitteilungsblätter herausgeben und regelmäßig ›Anthroposophie weltweit‹ als internationales Nachrichtenblatt für Mitglieder der Wochenschrift beiliegt, drängt sich der Eindruck auf, hier werde weniger eine Lücke gefüllt als Haarspalterei betrieben.
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Zu Dead Centre: ›Die Erziehung des Rudolf Steiner‹ im Schauspielhaus Stuttgart
Vor der Premiere hatte auf dem Stuttgarter Hügel noch stille Besorgnis geherrscht. »Für ihre erste Arbeit am Schauspiel Stuttgart nimmt sich das britisch-irische Theaterkollektiv Dead Centre der Figur des Philosophen und Reformpädagogen Rudolf Steiner und des von ihm entwickelten Waldorfschulsystems an«, textete die Presseabteilung des Schauspielhauses: »Woher stammen die Strahlkraft und Ambivalenz dieser Figur, die von den einen als Prophet vergöttert und von anderen als Urheber realitätsferner Glaubenstheorien verurteilt wird?« Fehlte nur noch das Adjektiv »umstritten«.