War Joseph Beuys der erste deutsche Querdenker? So fragte unlängst besorgt ›Der Spiegel‹. In früheren Zeiten wäre dergleichen ein verklausuliertes Kompliment gewesen. Heutzutage, wo der Begriff des »Querdenkers« von einer Bewegung vereinnahmt wird, die auch zweifelhafte Elemente mit einschließt, und gleichzeitig das juste milieu einem rigorosen Konformismus huldigt, ist das ein schwerwiegender Vorwurf. Geistiges Abweichlertum wird in unserer FDGO inzwischen fast so hart verurteilt wie weiland im real existierenden Sozialismus, als Diamat und Histomat das Denken regulierten – mit dem Unterschied, dass der gegenwärtige Materialismus weder historisch noch dialektisch fundiert ist. Wozu auch? Anders als die Marxisten der Vergangenheit sehen sich die modernen Glaubenswächter nicht mehr im Wettbewerb verschiedener Weltanschauungen und reflektieren auch nicht, dass sie Materialisten sind, sondern wähnen sich einfach auf Seiten der »Wissenschaft«. Schon das Grundmotiv der Dialektik, dass man zur Wahrheit nur durch den Widerspruch gelangt, ist im Zeitalter der Alternativlosigkeit überholt. Wer auf der richtigen Seite steht, braucht von der anderen nur zu wissen, dass sie falsch ist.