Mit der Vorsilbe ge- und seinem knappen -nug hat das Wort einen lakonisch-lapidaren Auftritt. Als bedürfe es keiner weiteren Worte zur Mitteilung, als sei mit dem einen Wort bereits alles Wesentliche – jedenfalls genug – gesagt. Werden weitere Worte gemacht, dann oft in verkürzten Sätzen, denen Verb oder Objekt fehlen und die den Charakter von Aufforderungen haben: Genug (damit), (jetzt aber) genug, (ich habe) genug, (es sind nun) genug der Ausreden! Natürlich kommt das Wort auch in ordentlichen Sätzen und ausführlichen Beschreibungen vor, die es in einen besonderen Zusammenhang stellen, näher bestimmen und differenzierte Aussagen ermöglichen. Als Solitär jedoch oder in abgekürzten Formulierungen hat genug eine handelnde, intervenierende Kraft. Wie »stopp«, »still«, »halt« und »raus« will es bei den Angesprochenen bewirken, was es zu verstehen gibt. Auch ohne sprengenden Explosivlaut gebietet es energisch Einhalt. Das macht sich sofort bemerkbar, wenn man es mit dem zumindest teilweise synonym verwendeten, aber distinguierteren genügend vergleicht. Genug Brot und genügend Brot laufen semantisch auf dasselbe hinaus und teilen sich doch ganz anders mit. Genügend schwingt und singt hinaus, genug könnte einem unter Umständen auch im Hals stecken bleiben.
Der Anatom und Botaniker Olof Rudbeck d.J. (1660–1740) und sein Schüler Carl von Linné (1707–1778
Olof Rudbeck d.J. war der Enkel von Johannes Rudbeck (1581–1646), der nach Luthers Tod in Wittenberg studiert hatte, später eine segensreiche Wirksamkeit als Bischof in Västerås ausübte und das schwedische Schulwesen stark förderte. Und er war der Sohn von Olof Rudbeck d.Ä. (1630–1702), der Medizinprofessor in Uppsala war und über Atlantis schrieb. Olof Rudbeck der Jüngere (geb. am 15. März 1660 in Uppsala, gest. am 23. März 1740 ebd.) – oder auch Olaus Rudbeckius dy (den yngre)– war ein schwedischer Naturforscher, vor allem auf dem Gebiet der Botanik und der Ornithologie, dazu mehrfach Rektor der Universität Uppsala (1708, 1715 und 1724). 1687 ging er zum Studium der Botanik nach Holland, England und Deutschland. Es folgte ein Medizinstudium an der Universität in Utrecht, wo er 1690 den Doktortitel erwarb. 1692 kehrte er nach Schweden zurück und trat als Professor für Medizin die Nachfolge seines Vaters an der Universität Uppsala an. Er spezialisierte sich auf Anatomie, Botanik, Zoologie und Pharmakologie. Sein Kollege Lars Roberg (1664–1742) hielt Vorlesungen in Medizin, Chirurgie, Physiologie und Chemie.
An der Schwelle des 100. Todesjahres von Franz Kafka (1883–1924)
Der Jahrhundertdichter Franz Kafka, dessen 100. Todestag im kommenden Jahr wieder zu einer breiteren Vergegenwärtigung des Vergangenen führen wird, hat eine deutliche Spur im kollektiven Bewusstsein des 20. Jahrhunderts hinterlassen, die sich zu dem weltweit in den allgemeinen Wortschatz eingegangenen Adjektiv »kafkaesk« verdichtet hat. Max Brod, sein engster Freund und der erste Herausgeber seines Nachlasses, war über den »Kafka-Boom« der 50er-Jahre entsetzt und sprach von der ›Ermordung einer Puppe namens Franz Kafka‹. Dora Diamant, die in seiner letzten Lebenszeit an Kafkas Seite war und ihm in Berlin beim Verbrennen von Manuskripten half, wehrte sich dagegen, dass man aus dem geliebten Menschen nach seinem Tod Literatur machen wollte. Allerdings hat Kafka, obwohl er testamentarisch die Vernichtung seiner Manuskripte forderte, nicht sie, sondern Brod als Nachlassverwalter eingesetzt, von dem er wusste, dass er sich nicht daran halten würde.
Zu Thomas Bernhard: ›Minetti‹ am Residenztheater in München
Jemand hat mich gefragt, wann ich zum letzten Mal eine Theateraufführung gesehen habe, die mich getroffen, berührt, mitgenommen, um nicht zu sagen erschüttert hat. Nichts anderes bedeutet im Theater: Güte. Es muss lange her sein, ich kann mich nicht erinnern. Der Zuschauer hat ja nichts als seine Augen und Ohren, durch die er an der Handlung teilnimmt. Gutes Theater bedeutet also, dass mithilfe dieser Sinne ein Prozess in Gang gesetzt wird, der mich verändert. Ich werde körperlich buchstäblich ergriffen. Das, was von der Bühne herkommt, sagen wir ruhig: (an)wehender Geist, durchdringt mich anders als die gewöhnliche sinnliche Wahrnehmung. Denn das, was mich da anweht, ist ja äußerlich gesehen, gar nicht da – es stammt als Gewebe eingebildeter Außenwelt aus dem Innern eines anderen Menschen. So erscheint die Welt, als wäre sie Idee und damit wird sie mir zur Landschaft der Freiheit. Hier spielt mein Wille die Hauptrolle, denn das Ich ist der Souverän des Ideellen.
Zur Ausstellung: ›Kapwani Kiwanga – Die Länge des Horizonts‹ im Kunstmuseum Wolfsburg
Durch einen blau und pinkfarben erleuchteten Tunnel führt der Weg in die erste umfassende Schau der kanadisch-französischen Künstlerin Kapwani Kiwanga (*1978), deren Kunstwerke weitläufig die große Halle des Kunstmuseums Wolfsburg bespielen. Das grelle blaue Licht werde gegen Drogenspritzen eingesetzt, weil dadurch die Venen nicht zu erkennen seien; hingegen beruhige das pinkfarbene Licht selbst Gefängnisinsassen, so habe ein Praxistest in einer Einlieferungszelle in Seattle gezeigt.
Die Bewegung, von der das Wort spricht, vollzieht sich in ihm. Eine maßvolle, gleichmäßige und stetige Fortbewegung, die ins Offene und Weite führt. Es nimmt einen mit, dieses Wort, es bringt einen in Fahrt, sobald man sich seiner Bewegung überlässt. Ist man erst einmal in Fahrt gekommen, ergibt sich der Weg fast von selbst. Es will immer weiter, das Wort, in eine Ferne, die nie aufhört, Ferne zu sein.
Eine Erfahrung
Rilkes berühmtes Sonett ›Archaïscher Torso Apollos‹ endet einigermaßen überraschend mit dem Satz: »Du mußt dein Leben ändern« – eine Konsequenz, die aus der Schönheit der Kunst erwächst. Der Leser sieht sich aufgefordert, seine mehr oder weniger passive Haltung zu verlassen und zu Neuem aufzubrechen.
Zum Andenken an Dag Hammarskjöld (29. Juli 1905 in Jönköping – 18. September 1961 bei Ndola, Sambia)
Er war der jüngste von den vier Söhnen des schwedischen Premierministers Hjalmar Hammarskjöld (1862–1953). Der Name des Kindes »Dag« bedeutet Tag im Sinne von Tageslicht. Hammer und Schild: Der Hammer als Sinnbild für das Vorwärtsdringen, der Schild, um sich zu schützen im Kampf. Es war ein verliehener Adelstitel von König Karl IX. an einen seiner Soldaten für dessen hervorragenden militärischen Einsatz. Der ursprüngliche Name der Familie lautete Michilsson.
Zu Anthony McCarten: ›Going Zero‹
Nehmen wir Begriffe beim Wort – Rudolf Steiner hat das oft und gerne getan, um sich verständlich zu machen. Das bekannteste Beispiel ist die »Entwickelung«, man sieht sie förmlich vor sich. Darin liegt eine der Stärken der deutschen Sprache: die Leichtigkeit der imaginativen Wortbildung, auch wenn das Wort selbst aus einer anderen Sprache einverleibt wurde. In-Formation ist ein wundervoller Ausdruck, für das, was an den Zugvögeln am Himmel, oder im Fischschwarm sehen, im Bienenstock oder im Ameisenhaufen. Alles ist informiert, in die entsprechende Form seines Seins gebracht, im Fall der Tiere spielt sich dies als sichtbare Bewegung in der Zeit ab. Zeitverlauf als kosmisches Informationsbild – jeden Morgen geht die Sonne auf. Auch wenn es bekanntlich die Erde ist, die sich dreht. Selbst die Geister und Götterwesen, die wir Hierarchien nennen, erscheinen – nicht zuletzt aufgrund dieses Ordnungsbegriffes – informiert.
Zu Wolfgang Schad: ›Der Geist der Erde‹
Wie soll man als Rezensent einem solchen Werk gerecht werden? Wolfgang Schads letztes, postum erschienenes Buch ›Der Geist der Erde – Unsere Welt als lebendiges Wesen‹ ist ja nicht bloß einer von den unzähligen Beiträgen im fortlaufenden Prozess einer globalen Forschungsmaschinerie, sondern das Vermächtnis eines umfassend gelehrten Mannes, eines Wissenschaftlers, der sein Leben für den Goetheanismus in Forschung und Lehre, für Menschenbildung und -erziehung eingesetzt hat. Und: Es ist nicht irgendein Thema, dem sich dieses Vermächtnis widmet, sondern eines, wie es umfassender kaum zu denken ist: Die Erde als ein individualisiertes Lebewesen im Weltall.
Im Alltag kommt irgend so häufig vor, dass es einem kaum mehr besonders auffällt. Allerdings fast ausschließlich in Wortverbindungen und nur sehr selten als eigenständiges Wort. Irgendwo, irgendwie, irgendwer – aber irgend? »Wenn irgend möglich, komm sofort!« anstelle eines: »Wann immer möglich …« hört sich eher abgehoben an, zumindest ungewohnt; bei Adorno aber kann man das irgend durch aus antreffen: »Nur die absolute Lüge hat noch die Freiheit, irgend die Wahrheit zu sagen«, heißt es in den ›Minima Moralia‹.
Zu Carolin Würfel: ›Drei Frauen träumten vom Sozialismus‹
Das Urteil sei vorweggenommen: Dies ist ein lebendiges Buch über die drei wichtigsten DDR-Schriftstellerinnen: Christa Wolf, Brigitte Reimann, Maxi Wander und über ihre Beziehungen zueinander. Ein Buch, das einen Blick in eine Zeit zurückwirft, in der Menschen davon überzeugt waren, dass ein kreativ gelebtes Leben nur in einer Gesellschaft möglich sein könne, die diese Art von Suche unterstützt. Denn das war die Hoffnung in den Aufbruchsjahren der DDR: dass sich individuelles Leben, künstlerische Kreativit.t und gesellschaftliches Engagement verbinden lassen. Geschrieben wurde das Buch von einer jungen Autorin, in Leipzig geboren, doch zu jung, um die DDR noch miterlebt zu haben. Aber die Romane der drei Schriftstellerinnen hatten sie in ihrer eigenen Suche angesprochen. Es gelingt ihr, dieses Gefühl der Resonanz auch in uns auszulösen.
Eine Johanni-Imagination
Das Johannifest ist ein Mysterienfest - auch wenn diese Qualität dem heutigen Alltags-Bewusstsein so gut wie unbekannt ist. Wie kann ein solches Fest begangen werden - und mit wem? Man feiert es normalerweise nicht allein, sondern mit Menschen, die auch auf dieses Fest der Jahreshöhe eingestellt sind. Es ergab sich in diesem Jahr aber für mich, dass ich es allein, ganz individuell, begehen musste.
Rudolf Steiner beginnt seinen als »Johanni-Imagination« bekannten Vortrag vom 12. Oktober 1923 mit der Bemerkung, wir – also seine Zuhörer, seine Mitmenschen – hätten »die Betrachtungen, die wir anstellen, viel geistiger anzustellen als für die vorhergehenden Jahreszeiten.« Als eine stille, strenge innere Forderung war mir das bei allem, was ich erlebte, gegenwärtig, auch wenn mir bewusst war, wie unvollkommen nur ich diesem Anspruch würde genügen können. Trotzdem möchte ich hier schildern, wie ich dieses Jahr den Nachmittag und Abend des Johanni-Tages verbrachte und erlebte – nicht meinetwegen, sondern als Beispiel dafür, wie sich ein solches nFest heutzutage in eine ganz individuelle Gestalt prägen kann – und wohl auch will ...
Auf den Spuren des Orgelbaumeisters Gottfried Silbermann (1683–1753)
Gottfried Silbermann (1683-1753) gilt als der bedeutendste mitteldeutsche Orgelbauer der Barockzeit. Es gibt noch vier seiner Orgeln in Freiberg (zwei im Dom, jeweils eine in der Petri- und in der Jakobikirche) sowie rund 30 weitere, fast alle im heutigen Sachsen. In seiner Heimatstadt Frauenstein bei Freiberg gibt es seit 1983 ein Gottfried-Silbermann-Museum. In Freiberg selbst kann man seit 2017 in dem Haus, wo er vor 300 Jahren seine Werkstatt betrieb, eine Schauwerkstatt besichtigen.Silbermann, was für ein schöner Name für einen Orgelbauer! Sofort denkt man an silberhelle Töne, an silbrig glänzende Orgelpfeifen. Aber der Name stammt aus dem Erzgebirge, wo jahrhundertelang nach Silber gegraben wurde. Freiberg nennt sich jetzt »Silberstadt«. Heute allerdings findet man hier kein Silber mehr, der Bergbau wurde längst eingestellt. Doch ist möglicherweise etwas zu finden, das wertvoller noch ist als Silber ... Aber auch hierfür muss man in die Tiefe steigen.
Zu Kurt Almqvist & Daniel Birnbaum: ›Hilma af Klint. Catalogue Raisonné Volume VII‹
Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gilt Hilma af Klint (1862–1944) als eine der herausragenden Gestalten im Umbruch von der gegenständlichen zur »abstrakten« Malerei der Moderne. Wenn auch nicht in ihrer eigenen Zeit unmittelbar einflussreich, hat ihr Werk nach dessen Entdeckung dennoch einen wichtigen Beitrag für die kunstgeschichtliche Forschung geliefert, spirituelle Dimensionen und Motivationen für die Wahl ungegenständlicher Motive am Beginn des 20. Jahrhunderts ernst zu nehmen, statt letztere auf rein formale Überlegungen zurückzuführen. Ausdruck dieses Paradigmenwandels waren groß angelegte Ausstellungen wie etwa ›Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian‹ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt im Jahre 1995.
Zu Christa Lichtenstern: ›»Ich bin ein Plastiker«‹
»Ich bin ein Plastiker«, rief der 77-jährige Goethe in einem Gespr.ch mit seinem Freund Sulpiz Boisserée im Zorn über einen Kritiker aus, demonstrativ auf seinen geliebten Abguss einer monumentalen antiken Juno-Büste zeigend (S. 18). Diese für einen Dichter erstaunliche Selbstaussage nimmt Christa Lichtenstern zum Anlass, »Goethes ungeschriebene Skulpturästhetik« nicht nur zu rekonstruieren, sondern ihr zukunftsgerichtetes Potenzial herauszuarbeiten. Entsprechend ist auf dem Cover ihres Buches eine moderne Stahlskuptur zu sehen, die Goethes polare Grundpinzipien geometrisierend aufgreift: Zusammenziehung und Ausdehnung, Ruhe in der Bewegung. Das 1982 entstandene Werk des spanischen Bildhauers Andreu Alfaro (1929–2012) trägt den Titel ›El Olimpo de Weimar‹ und steht in Frankfurt am Main, in Goethes Geburtsstadt.
Als ich das Wort zum ersten Mal ausprobierte, war ich ein Knirps und okay war wie Bluejeans oder diese rosaroten amerikanischen Bazooka-Kaugummis, die ein lässiges Auftreten garantierten und signalisierten, dass man dazugehörte. Okay war cool, okay gab einem ein Gefühl von Selbstsicherheit.
Zur Ausstellung: ›Hugo van der Goes – Zwischen Schmerz und Seligkeit‹ in der Gemäldegalerie Berlin
Hugo van der Goes (um 1440–1482/83) gehört zu den bedeutendsten niederländischen Malern seiner Zeit, gleichberechtigt neben Jan van Eyck (um 1390–1441) und Rogier van der Weyden (1460–1523). Von seinen Arbeiten, die in einer knappen Schaffenszeit von rund 14 Jahren entstanden, sind lediglich 14 Gemälde und zwei Zeichnungen als eigenhändig gesichert. 12 Gemälde und beide Zeichnungen sind nun in einer ersten monografischen Gesamtschau des Meisters in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen. Zwei Werke konnten durch das große Format und ihren Zustand nicht nach Berlin transportiert werden.
Zur Ausstellung: ›Flowers Forever – Blumen in Kunst und Kultur‹ in der Kunsthalle München
Die ursprüngliche Geburt der Blumen auf der Erde liegt Millionen Jahre zurück – ihr uraltes Wesen verkörpert sich jedes Jahr aufs Neue. In einem wundersamen Zauber. Was uns die Erde durch ihren Blütenteppich sagt: Wer sie selbst ist und wer wir sind. »Schau,« könnte die Erde murmeln, »wenn der frosthart gefrorene Boden unter den Schritten knirscht und ein Schneeglöckchen oder ein Winterling sein hauchzartes grünes Stängelchen hindurchschiebt und ans Licht bringt.« Mit aller Kraft gelingt uns dies nicht. Jedes kleine Kind versteht: Das geht eigentlich nicht, für ein rein materielles Weltverständnis undenkbar. Also ein Wunder: Wie sich die Winzlinge in den Schwingungen der Materie, den räumlich-körperlichen Verhältnissen so einrichten, dass sie ihren eigenen Freiraum schaffen – vor sich her den Geburtskanal bilden, um so erscheinen zu können. Was wir im Denken leisten, die Schwere des Irdischen aufheben, lösen und durchdringen, das tun die kleinen Blüten in ihrer zarten Körperlichkeit wesentlich. Und ein Mensch, der angesichts des Blumenwesens gar nichts zu empfinden meint, dem muss das Herz gebrochen sein, oder die Seele geraubt.
Zum Gedenken an Adam Smith (getauft am 16. Juni 1723 in Kirkcaldy – gestorben am 17. Juli 1790 in Edinburgh)
Adam Smith wurde vor 300 Jahren, am 16. Juni 1723 getauft, sein Geburtstag ist unbekannt. Er war ein schottischer Moralphilosoph, ein Aufklärer, und er gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie. Ich begegnete ihm in Edinburgh an zwei markanten Stellen: an seinem Denkmal neben der St Giles Kathedrale und dem Grabmal im Canongate Kirkyard, der an der Royal Mile nahe dem Holyrood Palace gelegen ist. Angesichts von Smiths Riesenwerk kann hier natürlich nur ein ausgewählter Teil betrachtet werden.
Zu Edvard Hoem: ›Die Hebamme‹
Kaum jemals habe ich ein Umschlagbild so passend gefunden wie das zu diesem Roman: steil aufragende Felsen, unüberwindbar für den Menschen ohne Hilfsmittel, ein schmaler Streifen steiniger Boden, Wasser am Grunde der Schlucht, darauf ein Ruderboot, das von einer Frau mit Kopftuch bewegt wird, Stille, Einsamkeit. Ohnmacht des Menschen, Übermacht der Natur oder umgekehrt – in einem Bild zusammengefasst. Ein Bild, das viele weitere Bilder in meinem Inneren aufblättern lässt.
Zur Diskussion über die Homöopathie
Zum Thema ›Globuli, Wissenschaft und Patientenwunsch – Über den Stellenwert der Homöopathie im Gesundheitswesen‹ lud der Hospitalhof Stuttgart am 15. März 2023 die Öffentlichkeit in den großen Saal des lichten, einladend renovierten Veranstaltungszentrums ein. Die Begrüßung durch Pfarrerin Monika Renninger und der Einführung in die Thematik durch Dr. Dietmar Merz, Studienleiter an der Akademie Bad Boll, machte deutlich: Dieser Abend war in seiner Struktur und der Auswahl der Referenten gründlich vorbereitet.
Nein, besonders elegant und wendig kommt es nicht daher, dieses Wort. Es wirkt eher träge und schwerfällig, ja, ein wenig plump. Mit geneigtem Kopf gewissermaßen, obwohl nicht ohne Kraft. Für das trottende, sich auf den Boden niederlassende, das ruhende oder schlafende Tier scheint der Name ganz gut geeignet. Für den unaufgeregten Hofhund vielleicht, für das Tier in einer bestimmten Lage, Verfassung und Funktion. Im .brigen fühlt sich der Oberbegriff nur für einen kleinen Teil der domestizierten Tiere richtig stimmig an. Für die schlanken Sprinter oder die feingliedrigen kleinen Sorten ist das Wort mehr ein Behelf.
Zum Film ›Heilige Spiele – Eine Filmwanderung zu Johann Sebastian Bach‹ von Rüdiger Sünner
Zwei Hände entnehmen einem Instrumentenkoffer die Teile einer Querflöte. Umsichtig werden sie zusammengefügt. Im dunkel abgehängten Raum – jede Ablenkung vom Wunder des Klangs als Resultat einer intimen Begegnung zwischen Mensch und Instrument unterbindend – setzt ein Mann in schwarzem Hemd die Flöte an die Lippen. Es ist der Regisseur selbst, den wir am Werk sehen, dem wir zuschauen, wie er ein Geheimnis zum Leben erweckt: das Geheimnis, wie eine uns geschichtlich und hinsichtlich der Umstände, unter denen sie entstanden ist, so ferne Komposition zutiefst bewegen kann – während uns vieles andere und scheinbar Zeitgemäßere kalt lässt.
Erfahrungen mit Schiller
Wie es dazu kam, dass Schiller, ausgerechnet Schiller und dazu auch noch das zeitferne und nur schwer zugängliche Gedicht ›Das Ideal und das Leben‹1 (15 Strophen zu je 10 Versen) meine Widerstandskraft stärkte, soll hier erzählt werden als Beispiel für die oft beschworene, aber auch bezweifelte Kraft der Dichtung.
Nizier Anthelme Philippe, genannt Maître Philippe de Lyon (25. April 1849 in Loisieuy – 2. August 1905 in L’Arbesle)
Nizier Anthelme Philippe, bekannt als Monsieur Philippe oder Maître Philippe, entdeckte ich in einem Buch von Roland Marthaler, das im Novalis Verlag erschienen ist. Zu dem Zeitpunkt war ich schon einmal in Lyon gewesen. Die Stadt ist sehr alt, von den Römern gegründet und seit dem 2. Jahrhundert bereits christlich. Sie ist das Tor zum Süden Frankreichs, einstige Königsresidenz der Burgunder von 461 bis 534. Eine gesegnete, fruchtbare Gegend am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Lyon wird überragt von der 1896 geweihten Kirchenanlage der Notre-Dame de Fourvière, von wo aus man einen wunderbaren Blick über die Stadt mit ihren beiden Flüssen hat, die sich in ihrem Gebiet vereinigen. Linkerhand sieht man den zweiten bestimmenden Hügel der Stadt, die Croix-Rousse. Philippes Geburtsort Loisieux liegt weit dahinter, östlich von Lyon, in den Bergen zwischen Grenoble und Genf. Das Geburtshaus, ein Bauernhaus, stand zu jener Zeit noch außerhalb des Ortes, der auch heute nur 204 Einwohner hat. Damals gehörte Loisieux zum Herzogtum Savoyen, einem Teil des Königreichs Sardinien, heute zur Region Auvergne-Rhône-Alpes.
Was für Mut braucht Frieden? Diese Frage bildet den Hintergrund des vorliegenden Essays; im Vordergrund ist der Blick zunächst auf Frauen gerichtet, die in der Wanderausstellung ›Friedensimpulse von Frauen‹ des Frauenrats in der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland erwähnt werden. Die Lebenswege der meisten hier genannten Frauen berührten sich mit dem Rudolf Steiners. Dessen nicht leicht zu nehmende Forderung, sich auf einen inneren Kampf einzulassen, der erst die Grundlage für äußeren Frieden bilden kann, greift die anfangs gestellte Frage auf.
Zu ›Am See‹ von Kapka Kassabova
Kann ein einzelner Mensch eine Landschaft – und ihre Schicksale – erlösen? Ist das denkbar – oder sogar machbar? Um nichts weniger als diese Frage geht es im jüngsten Buch der bulgarisch-englischen Schriftstellerin Kapka Kassabova, das 2021 auf deutsch erschien und hier vorgestellt werden soll. (Das Original kam 2020 unter dem Titel ›To the Lake. A Balkan Journey of War und Peace‹ in London heraus) »Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, / ist eingeweiht«, sagt Goethe in ›Torquato Tasso‹ (V. 80f.). Wem träten dabei nicht die Landschaften Umbriens, die der heilige Franziskus durchwandelte, vor das innere Auge, um nicht gleich ans biblische Galiläa zu denken – oder, näher bei uns, die Thomaskirche in Leipzig, an der Johann Sebastian Bach wirkte?
Leicht und samtig, fast sanftmütig gleitet das Wort an den Rändern der Dinge entlang, die es bezeichnet. Die Kraft, mit der es sich anschmiegt, hat nichts Gewaltsames, aber sie befestigt und bekräftigt die Ränder: als Waldsaum, als Wolkensaum, als Kleidsaum.
Zur Etel Adnan-Retrospektive im Lenbachhaus und in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Etel Adnan (1925–2021) war eine außergewöhnliche Künstlerin. Sie wurde durch zahlreiche Ausstellungen und literarische Werke bekannt und erlebte 2021, kurz vor ihrem Tod mit 96 Jahren, gerade noch die Vorbereitungen der ersten deutschen Retrospektive ihrer künstlerischen Arbeiten im Lenbachhaus München. Beim Rundgang durch die Ausstellung bemerkt man die Atmosphäre der von geistiger Freiheit und kosmopolitischem Denken geprägten Werke. Ein feiner Zauber liegt über dem Spiel mit Licht, Farben, Linien, Formen und Schriftzeichen. Ihr malerisches und literarisches Werk, die Gemälde, Grafiken sowie Gedichte, Erzählungen, Prosa und Gespräche, bilden eine Gesamtheit. In Worten und Bildern widmete sich Etel Adnan persönlich, philosophisch und politisch existenziellen Fragen; sie wollte Freiheit und Menschsein zum Ausdruck bringen, als ginge es um ein Gegengewicht zu all den Schrecknissen, globalen Krisen und Umwälzungen des 20. und 21. Jahrhunderts, mit denen sie sich durch eine enge Verbundenheit mit ihren Lebens- und Arbeitsorten im Osten und im Westen immer wieder konfrontiert sah. Sie lebte abwechselnd in Beirut, ihrem Herkunftsort, in Sausalito in Kalifornien, wohin sie 1979 mit ihrer Arbeits- und Lebenspartnerin Simone Fattal (geb. 1941) zog, und zuletzt in Paris. Ihr künstlerisches Lebenswerk ist Ausdruck ihres Werdegangs und gründet vor allem in ihrem Bewusstsein für die Gegenwart.