Artikel von Angelika Wiehl
Anmerkungen zum ›Museu Oscar Niemeyer‹ in Curitiba/Brasilien
Mitten im Häusermeer der Millionenstadt Curitiba in Südbrasilien erhebt sich das Oscar Niemeyer Museum, das im Volksmund »Olho« (= »Auge«) genannt wird, weil es wie die Pupille des menschlichen Auges auf seinen seitlichen Glasflächen Himmel, Wolken und umgebende Gebäude spiegelt. Die aus zwei geometrischen Baukörpern, dem Auge und dem Sockelbau, zusammengefügte gelbe Skulptur wirkt monumental. Vom Ausgang im oberen Sockelbereich windet sich eine Rampe über ein Wasserbecken hinweg nach unten auf den Museumsvorplatz. Der von dem Stararchitekten Oscar Niemeyer entworfene und 2002 eröffnete Museumskomplex birgt heute eine Gemälde- und Skulpturensammlung, die zu großen Teilen Kunstwerke südamerikanischer Provenienz umfasst, die andernorts, vor allem in Europa, so nicht bekannt sind, sich aber mit Ausstellungsstücken weltbekannter Museen messen können. Überhaupt ist es zunehmend das Kennzeichen zeitgenössischer Kunst, dass viele Installationen, Videoarbeiten, Skulpturen und Bilder eine globale künstlerische Sprache sprechen. So könnte auch das »Olho« an irgendeinem anderen Ort der Welt stehen. Die Polarisierung der Ost- und Westkunst, wie sie noch im figurativen und abstrakten Expressionismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck kam, wurde inzwischen von vielfältigen künstlerischen Positionen überlagert und aufgelöst. Schließlich bürgt die bereits 1979 von Jean-François Lyotard angekündigte Postmoderne für das »Ende der großen Erzählungen«, an deren Stelle ein durch technische Medien vermitteltes Wissen getreten sei.
Zu ›In aller Munde. Von Pieter Breugel bis Cindy Sherman‹ – im Kunstmuseum Wolfsburg
Noch nie wurden Mund und Zähne in den Mittelpunkt einer Schau gestellt, so wie es jetzt die in Zeiten des zweiten Corona-Lockdowns fallende Ausstellung ›In aller Munde‹ tut. Allein der Titel ist doppelsinnig, denn nicht nur das aktuelle »infektiöse Desaster« konzentriert sich auf den Mund- und Rachenraum, vielmehr handelt es sich dabei um eine »reizvolle Körperzone«, die für emotionale, sprachliche und soziale Bekundungen steht und je nach Äußerungsart empathische bis ekelerregende Wirkungen zeigt. Vor zweieinhalb Jahren, berichtet die Kuratorin Uta Ruhkamp, unterbreiteten der Philosoph Prof. Dr. Hartmut Böhme und die Zahnmedizinerin Beate Slominski dem Kunstmuseum den Vorschlag, künstlerischen Positionen zu Mund und Zähnen eine Ausstellung zu widmen. Entstanden ist eine ungeheuer vielfältige, die ganze Kunst- und Kulturgeschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart hinein durchstreifende Präsentation.