Artikel von Angelika Wiehl
Über die Philosophie von Édouard Glissant und das künstlerische Werk von Régis Granville
Die Überwindung eurozentrischer kolonialer Denkweisen und Machtstrukturen dauert an. Dabei handelt es sich nicht allein um eine politische Angelegenheit, sondern um die menschheitliche Aufgabe, das zukünftige Zusammenleben auf der Erde neu zu gestalten. Modellartig leuchtet die kreolische Kultur auf, die aus dem Zusammenkommen verschiedener Ethnien, Sprachen und Lebensarten in der Karibik entstanden ist und die sich sehr wahrscheinlich weltweit ereignen wird. Die Kreolisierung offenbart sich, indem über das Vergangene und Tradierte hinaus nach zukünftigen Lebensgestaltungen gesucht wird. Die Philosophie von Édouard Glissant und das künstlerische Werk von Régis Granville rufen facettenreich Ideen für eine postkoloniale und zukunftsbewusste Lebensweise wach. Der folgende Essay basiert auf einer Spurensuche auf der Antilleninsel Martinique.
Zur Performancekunst von Marina Abramović
Marina Abramović darf als die bedeutendste Performancekünstlerin der Gegenwart bezeichnet werden. Ihr Gesamtkunstwerk besteht aus einem alles riskierenden, bis an die Grenzen menschlicher Existenz gehenden, Schmerzen erleidenden Einsatz des eigenen Körpers und den damit einhergehenden Bewusstseinsveränderungen. In ihren Performances bezieht Abramović das Publikum so ein, dass es ihren öffentlich vorgeführten Selbstverletzungen und ihren mentalen Transitionen nicht nur ausgesetzt ist, sondern zum aktiven Handeln und inneren Mitvollziehen veranlasst wird. Die Übertragung psychischer und mentaler Energien der Akteurin auf das Publikum gehört zu den Grundelementen ihrer performativen Aktionen. Ihr biografischer und künstlerischer Weg führt von der Ablösung aus familiären Zwängen, durch exzessive, Abhängigkeiten schaffende Liebesverhältnisse, über spirituelle und meditative Praktiken zu einer eigenen performativen Sprache der Aufmerksamkeit und empathischen Hingabe.