Zu der Buchreihe ›Atlantis nach neuesten hellsichtigen und wissenschaftlichen Quellen‹ von Andreas Delor
Atlantis ist auf besondere Weise mit meinem Schicksal verbunden. Aus diesem Grund sei dieser Besprechung eine autobiografische Rückblende vorangestellt, deren Erzählung geradewegs in die Materie hineinführt: Aufgewachsen während der 1980er Jahre in einem regelrecht spiritualitätsfeindlichen Umfeld, begannen mein Cousin und ich uns frühzeitig für archäologische Relikte, griechische Mythen und versunkene Kulturen zu begeistern. Angeregt durch die Atlantisdeutungen verschiedener Autoren studierten wir die Übersetzungen von Platons ›Timaios‹ und ›Kritias‹ (um 360 v. Chr.), in deren Dialogen die rätselhafte Insel das erste Mal namentlich Erwähnung fand. Demnach soll Solon die Atlantismythe bei einem Priester der Göttin Neith in Sais vernommen und aus Ägypten nach Athen mitgebracht haben. Die von Platon beschriebene Hauptstadt mit den drei ringförmig angelegten Wassergräben und Mauern, welche die prächtige Akropolis mit dem Poseidon geweihten Tempel und dem Königspalast umgaben, bildete fortan den Gegenstand unserer kindlichen Rekonstruktionszeichnungen und ersten literarischen Gehversuche. Diese folgten den Schilderungen Platons so buchstäblich wie Heinrich Schliemann den Versen Homers bei seiner Suche nach Troja. Von da an durchforsteten wir die damals zugängliche, meist wenig seriöse Atlantisliteratur. Etlichen ihrer Verfasser schrieben wir, einige lernten wir persönlich kennen, an einem Buchprojekt zum Thema wirkten wir sogar als Co-Autoren mit.
Das »Ich« in seinem Verhältnis zu ICH und Ich
Der am 25. Oktober 1906 in Berlin von Rudolf Steiner gehaltene öffentliche Vortrag ›Blut ist ein ganz besonderer Saft‹ dürfte einen Jubel in der geistigen Welt ausgelöst haben. Denn er erscheint wie ein Meilenstein der Welt- und Menschheitsentwicklung. Dass dieser Vortrag bislang »auf Erden« ohne erkennbare Wirkung blieb, ist eine Menschheitstragik. Denn hier wird eine menschenkundliche Schlüsselidee ersten Ranges entwickelt. In ihr gründen auch die so maßgeblichen pädagogischen Ratschläge des Vortrages über ›Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft‹. Alle drängenden Fragen der Gegenwart »werden hell und klar, wenn wir das, was als geistige Wesenheit hinter dem Blute liegt, kennen«.
Die geheimnisvolle Beziehung Hegels zu den Rosenkreuzern
Die Anthroposophie wäre ohne Hegel und Goethe nicht möglich gewesen. Anlässlich Hegels 250. Geburtstages am 27. August 2020 hielt der Autor des folgenden Aufsatzes einen Vortrag in Stuttgart über die Beziehung Hegels zu der Rosenkreuzerbewegung und schlug von dort eine Brücke zur Anthrophosophie. Die dort entwickelten Gedanken wurden in der Folgezeit schriftlich ausgearbeitet und können nun in einer dreiteilgen Serie veröffentlicht werden. Der erste Teil zeigt, wie Hegels Vernunftsbegriff mit der naturwissenschaftlichen Anschauungsart Goethes zusammenhängt und stellt darüber den Zusammenhang zur geistigen Erneuerungsbewegung der Rosenkreuzer her.
Meditation als Erkenntnisweg
Wie bilden wir Begriffe, mit denen wir uns selbst und die Natur wirklichkeitsgemäß begreifen können? Der Physiker Wolfgang Pauli erkannte in seiner jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit dem Psychiater Carl Gustav Jung, dass unserer Begriffsbildung immer ein »malendes Schauen« archetypischer Bilder aus dem Fundus des kollektiven Unbewussten vorangeht. Im meditativen Umgang mit den inneren Bildern beschreiten wir die Brücke zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Ideen.
Eine österlich-michaelische Betrachtung
Michaeli und Ostern bilden miteinander eine kosmisch-terrestrische Polarität – im Spannungsfeld zwischen Sommer und Winter. Man kann sie, vom Tageserleben her, mit den Lichtsituationen des Abends und des Morgens vergleichen – den Zonen zwischen Tag und Nacht. Wie diese in den Dämmerungen leben, den Bereichen der Schwelle zwischen Nachtdunkel und Tageshelle, so gehen mit Michaeli und Ostern zwei verschiedene Welten ineinander über: die Welt des sommerlich auswärts gekehrten und die des winterlich nach innen gewendeten Lichtlebens – dort viel äußeres Licht bei einer möglichen inneren Dumpfheit, hier viel äußere Dunkelheit, oft begleitet von hellerem, klarerem Bewusstsein. Der Mensch, der diese Schwellenübergänge vollzieht, bleibt mit sich selbst identisch, seine Lebensvollzüge aber sind von der gerade vorherrschenden Intro- oder Extravertiertheit beeinflusst, die sich infolge des Zusammenlebens mit der natürlichelementarischen Mitwelt in der dunklen oder in der lichten Jahreshälfte ergeben. Die Selbstidentität zu wahren, in ihr zu erwachen, sie immer bewusster zu verwirklichen, stellt sich gerade mit diesen Übergängen als Aufgabe – zu Michaeli wie um Ostern. Das schon angedeutete Motiv, das solches Erwachen begünstigt, liegt darin, dass beispielsweise auf der herbstlichen Seite das äußere Zurückgehen des Lichts durch das Anwachseninneren Lichtes beantwortet wird – eines Lichtes, das weitgehend dem individuellen Bewusstseinslicht entspricht. Das drückt sich in dem vormichaelischen Wochenspruch des ›Anthroposophischen Seelenkalenders‹ aus, der den Wechsel vom schwindenden Außen- zum zunehmenden Innenlicht behandelt.
Die Aufgabe der Kulturräte
Im letzten Jahr erschien der Band ›Zu sozialen und wirtschaftlichen Fragen der Gegenwart‹ in der Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Er dokumentiert das Wirken Rudolf Steiners in den Jahren 1919 bis 1924 für die Dreigliederung. Insbesondere auf die Aufgabe der Kulturräte wird ein besonderes Licht geworfen. Die folgende, ausführliche Besprechung erläutert, wie das Nicht-Ergreifen des Kulturrätegedankens mit dem Nicht-Durchdringen der wirtschaftlichen Initiativen in Zusammenhang zu sehen ist.
Graue Aussichten mit Grünen Pässen
Ich musste schmunzeln, als ich am 22. Juli – also dem Tag, an dem Maria Magdalena gefeiert wird – erfuhr, dass der italienische Ministerrat, kurz nach der Regierung Frankreichs und fußend auf einer am 1. Juli in Kraft getretenen Regelung der EU-Kommission, zur Eindämmung von Covid-19 die Einführung des Green Pass (Grüner Pass) für den Zugang zu einigen Bereichen des öffentlichen Lebens beschlossen hatte. Und noch mehr musste ich schmunzeln, als ich hörte, diese Maßnahmen würden am 6. August, d.h. am Tag der Verklärung (Transfiguration) Jesu Christi, in Kraft treten. Ich fand es außerordentlich interessant, wie diese zwei Tage eine durchaus geniale symbolische Komposition bildeten: Maria Magdalena ist nämlich nach dem Johannes-Evangelium die erste Zeugin des Auferstandenen (Joh 20, 1-18) und somit der Vollendung jenes Weges, der mit der Verklärung begann (vgl. Mt 17,1-8; Mk 9,2-10 und Lk 9,28-36)4. Am Tabor durchdrang das Licht des schöpferischen Logos die irdische Leiblichkeit mit seiner unerschöpflichen Lebenskraft; so wird das Ereignis der Auferstehung möglich, von dem Maria Magdalena als Erste gezeugt hat.
Was ist das Alter? Ein alter Mensch – wer ist er, wie sieht man ihn, wie wird er bewertet? Spielt das Alter für die Gesellschaft eine wichtige Rolle? Ich will im Folgenden beschreiben, wie ich selbst das Alter empfinde und was es für mich persönlich bedeutet.
Geisteswissenschaftliche Aspekte zur Coronakrise
Der Mensch im Bewusstseinsseelenzeitalter entfaltet sich durch eigenständige Bewegungen in Denken, Empfindung und Willensgestaltung. Immer mehr gilt, dass jetzige (undkünftige) Probleme ihren Ausgangspunkt in der Unterlassung prinzipiell möglicher, aber nicht zwingend notwendiger Freiheitsschritte haben. Dieser Zusammenhang bestimmtmöglicherweise auch die Dynamik der Coronakrise. Der Autor des vorliegenden Aufsatzes ist sich darüber bewusst, dass die Konzentration auf ganz bestimmte, gleichwohlwichtige Aspekte dem Ausmaß der gegenwärtigen Problematik nicht gerecht werden kann. Die Ausführungen stehen somit unter einem gewissen Vorbehalt.
Solche Ereignisse, wie wir sie jetzt erleben, welche die Welt und jeden Einzelnen in einer Weise in Atem halten, derer er sich kaum zu erwehren weiß, ist ein Hinweis darauf, dass sich im Innern der menschlichen Seele bedeutungsvolle Entwicklungen vollziehen. Eine zunehmende Dramatik im äußeren, gesellschaftlichen und politischen Leben weist immer auf innere Dramen hin, die nur weniger offensichtlich sind, weil sie sich im geheimen Licht der Seele ereignen. Dieser Zusammenhang zwischen den Ereignissen der inneren, seelischen Welt und der äußeren wird dadurch verschleiert, dass die Trennung, die wir zwischen innerem und äußerem Leben ziehen, eine künstliche ist, die aber mit großer Schärfe gezogen ist. Das menschliche Subjekt wird so betrachtet, als hätten seine inneren Erlebnisse, seine Motive, Gefühle und Gedanken keine konkrete Wirkung auf die äußeren sozialen Lebenszusammenhänge; das ist aber eine Einengung und Missachtung der seelisch-geistigen Wirkungen, die von jeder Individualität ausgehen.
Der folgende Beitrag lenkt den Blick auf das Mysterium der Materie. Diese lässt sich erst verstehen, wenn der Leibbegriff richtig gebildet wird. Draußen in der Welt sehen wir keine Materie, sondern nur Erscheinungen, die wir gewohnt sind, als »materiell« zu bezeichnen; sie hängen geistig jedoch mit dem zusammen, was wir selbst sind. Die Materie hingegen ist eine geistige Tatsache, die wir nur seelisch-innerlich in unserem Leibe aufsuchen können.
Ein Arbeitsprinzip des Geisteslebens wird anschaubar
Vor 100 Jahren, 1921, ächzt Deutschland unter den Reparationen, die es als Ausgleich für den verlorenen Weltkrieg mit seinen verheerenden Folgen zahlen soll. Alle versuchen für sich zu retten, was zu retten ist – durch Ultimaten, Besetzungen, Volksabstimmungen oder Streiks. Die »Goldenen Zwanziger« sind noch nicht angebrochen, doch der innerdeutsche Flugverkehr nimmt schon an Fahrt auf, und in Berlin wird das erste aerodynamisch konstruierte Auto vorgestellt. Der Chemiker Fritz Winkler entdeckt das Plasma als bisher unbekannten Aggregatzustand, und Albert Einstein erhält den Nobelpreis für Physik. Am 29. Juni begeht die Katholische Kirche den 700. Todestag des Heiligen Dominikus. Genau einen Monat später wird Adolf Hitler zum Parteivorsitzenden der NSDAP gewählt, und im September erklärt der Zionistische Weltkongress in Karlsbad, das jüdische Volk wolle mit den Arabern »in einem Verhältnis der Eintracht und der gegenseitigen Achtung« in Palästina zusammenleben. Die Sowjetunion, in der gerade die große Hungersnot mit schließlich fünf Millionen Toten ausbricht, und Polen unterzeichnen einen Friedensvertrag. Der russische Anarchist Pjotr Kropotkin stirbt am 8. Februar, der Theosoph Alfred Percy Sinnett am 26. Juni, während am 9. Mai die deutsche Widerstandskämpferin Sophie Scholl das Licht der Welt erblickt, und drei Tage später, am 12. Mai, Joseph Beuys. Und meine Großeltern väterlicherseits kehren in diesem Jahr aus Neuseeland, wohin sie 1912 ausgewandert waren, mit ihren drei dort geborenen Kindern zurück und lassen sich im holsteinischen Kaltenkirchen nieder.
Schlaglichter auf 100 Jahre goetheanistische Biologie in die Drei
Es kann nicht die Aufgabe dieses Artikels sein, eine vollständige Übersicht über die Beiträge zur Biologie zu geben, die im Laufe von 100 Jahren in die Drei erschienen sind. Das Ergebnis einer solchen Studie würde weit mehr als ein Heft füllen. Denn die Biologie – von jeher ein klassisches Forschungsfeld des Goetheanismus – war durch viele ihrer Vertreter immer wieder in dieser Zeitschrift präsent. Doch auch bei Beschränkung auf einige ausgewählte Artikel kann die Vielfalt der darin entwickelten Gesichtspunkte nicht vollständig referiert werden. Es sollen hier deshalb nur einige Schlaglichter geworfen und dabei versucht werden, möglichst Charakteristisches zu beleuchten.
Die soziale Dreigliederung als Aufgabe der Waldorfpädagogik – Teil III
Die Waldorfpädagogik ist eigentlich darauf angelegt, ein zeitgemäßes Wirtschaftsverständnis zu veranlagen. Schon bei der Gründung der ersten Waldorfschule bestand allerdings das Problem, dass es kaum Menschen gab, die ein solches Verständnis vermitteln konnten. Der folgende Artikel versucht einen Blick auf zentrale Fragestellungen des Wirtschaftslebens zu werfen und macht deutlich, warum diese im Alltagsbewusstsein nicht präsent sind. Gelänge es, für diese Fragen bei Schülern Interesse zu wecken, so könnte dadurch eine Liebe für die Weltangelegenheiten veranlagt werden, aus der sich ein Verständnis für den Aufbau wirtschaftlicher Gemeinschaftseinrichtungen entwickelt.
Vor 100 Jahren verfasste Walter Johannes Stein den Artikel ›Der Christus Jesus in der Lehre Rudolf Steiners‹ für das Eröffnungsheft der neu gegründeten Zeitschrift die Drei. Der folgende Beitrag geht von der Frage aus, ob und wie Steins Artikel in dieser Zeitschrift weiterwirkt und sich mit Themen unserer Gegenwart verknüpft.
Gegenwart als Drama der Wahrnehmung
Das vergangene Semester hat sich für meine Tätigkeit als universitärer Dozent in vielen Hinsichten auf gewohnten Bahnen abgespielt. Meine Universität – wie nicht wenige andere in Italien – hatte nämlich im Sommer uns Dozenten ermuntert, im Rahmen der hygienisch begründeten Einschränkungen (und freiwillig) Unterricht in Präsenz zu halten, damit mindestens die neu Immatrikulierten am Anfang ihrer Laufbahn eine menschlich echte Begegnung mit uns erleben könnten. So hatte ich die erfreuliche Möglichkeit, meinen ganzen Unterricht in Präsenzform zu halten, mit der Option der Streaming-Teilnahme für diejenigen, die zum Unterricht nicht kommen konnten oder wollten.
Rosemarie Bünsows Dichtung ›Mein Schwellengang‹
Im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 2023, in dem Rudolf Steiner vor 100 Jahren den Grundstein in die Herzen der auf der Weihnachtstagung Anwesenden gelegt hat, wird hier von einem Menschen berichtet, der diesen Impuls in ganz besonderer Weise in sich aufgenommen hat: Rosemarie Bünsow. Nach einem Nah-Tod-Erlebnis bildete sie mit Hilfe dieses Impulses Fähigkeiten aus, die sie zu einem neuen Menschen machten. Da sie dieses Erlebnis in dichterische Worte fasste, die zeigen, dass es sich dabei um Kräfte für uns alle handelt, die wir den sich aufbäumenden, todbringenden Gegenmächten entgegensetzen können, möge dies ein Beitrag in der gegenwärtigen Zeitsituation sein.
In seiner ›Geheimwissenschaft im Umriss‹ weist Rudolf Steiner darauf hin, dass der Christus den Menschen nicht als Angehörigen seines Volkszusammenhanges ansprechen will, als der er sich bis zu Seinem Erscheinen empfand, sondern in seinem tiefsten Wesen als Individualität. »Noch das israelitische Volk fühlte sich als Volk, der Mensch als Glied dieses Volkes. Indem zunächst in dem bloßen Gedanken erfaßt wurde, daß in Christus Jesus der Idealmensch lebt, zu dem die Bedingungen der Sonderung nicht dringen, wurde das Christentum das Ideal der umfassenden Brüderlichkeit. Über alle Sonderinteressen und Sonderverwandtschaften hinweg trat das Gefühl auf, daß des Menschen innerstes Ich bei jedem den gleichen Ursprung hat.« Den Schritt über die einschränkenden Volkszusammenhänge hinaus, der mit dem Christus vollzogen wurde, ist in Seiner Nachfolge keiner so konsequent gegangen wie der Völkerapostel Paulus. Selbst die Kirche hat nicht begriffen, welch grundlegende Neuerung mit dem Erscheinen des Christus gegeben war und ist nicht den Schritt über die sondernden Gruppeninteressen hinaus zum Allgemeinmenschlichen gegangen. Nur auf diese Weise hätte sich ihr der individuelle Einzelmensch erschlossen, auf den es dem Christus ankam.
Der Mensch als dualgebautes Wesen
Die »Venus von Lespugue« ist eine aus Elfenbein geschnitzte Figur von knapp 15 cm Höhe, die in einer Höhle bei Rideaux (Département Haute-Garonne) am Fuße der Pyrenäen gefunden wurde. Sie wird auf ein Alter von etwa 25.000 Jahren geschätzt und gehört damit in die Kultur des Gravettien (Jungpaläolithikum). Sie gehört in einen Formenkreis von Figuren, die wie die »Venus von Willendorf« als Darstellungen einer Muttergottheit, als Symbol der Fruchtbarkeit usw. gedeutet werden. Ich bin der Auffassung, dass diese – vordergründig weiblichen – Figuren nicht physisch zu interpretieren sind, obwohl sie naturalistische Details enthalten, etwa die geflochtene Kopfbedeckung und Frisur der Venus von Willendorf (Alter 30.000 Jahre) oder bei unserem Beispiel eine als Fransenrock gedeutete Applikation auf der Rückseite. Denn dies würde einerseits bedeuten, dass man in der Steinzeit eine in ihrer Übertriebenheit als pathologisch adipös zu bezeichnende Gestalt als Urbild der Gottheit verehrt hätte, und dass man andererseits die menschliche Anatomie nur sehr dilettantisch darstellen konnte, was mangerade dieser Figur aus dem Gravettien vorwerfen müsste: die Proportionen und Maße stimmen nicht. Nach meiner Überzeugung handelt es sich vielmehr um die Darstellung einer Kräftedynamik, und dies in einer menschenkundlich wahren Weise. Ich will im Folgenden versuchen, dies zu erläutern.
Das Bewusstsein als Lösung des Leib-Seele-Problems
Die Frage, wie der Körper und das Bewusstsein, der Leib und die Seele zusammenhängen, ist eine immer noch vollkommen ungelöste Frage, ein »weißer Fleck auf der Landkarte des wissenschaftlichen Weltbildes« (Thomas Metzinger). Eine Lösung des Problems deutet sich an, wenn man auf der Grundlage der Anthroposophie die materiellen Vorgänge des Leibes als geistige erkennt, als welche sie durch inneren, aktiven Nachvollzug aufgefasst werden können, und wenn umgekehrt die innerseelischen Vorgänge des Denkens, Fühlens und Wollens in innerer Erfahrung so angeschaut werden, dass sie aufs Engste mit leiblichen Prozessen zusammenhängen.
Zur Entwicklung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft nach Rudolf Steiners Tod
Am 21. Januar 1931 schrieb die Leipziger Zweigleiterin Elise Wolfram, die sich seit vielen Jahren für medizinische Fragen interessierte, an Ita Wegman. Wolfram hatte Bücher über Paracelsus und über die Psychoanalyse geschrieben und sich für die Anthroposophische Medizin in Leipzig eingesetzt. Wegman wiederum hatte im Oktober 1930 eine Klassenstunde in Leipzig gehalten, die von den Mitgliedern des Goethe-Zweiges dankbar aufgenommen worden war. Nun fragte Wolfram, die von den anderen Leipziger Zweigen in der damals üblichen Vereinfachung als Anhängerin Wegmans angesehen wurde, ob diese nicht weitere Klassenstunden in Leipzig halten könne. Wegmans Antwort erfolgte recht bald. Am 12. Februar 1931 schrieb sie an Wolfram, dass sie im Augenblick keine Stunden halten wolle: »Ich werde es ganz sicher einrichten zu kommen, wenn einmal mehr Stabilität eingetreten ist in den jetzt herrschenden Verhältnissen, überall in Deutschland und auch hier. Ich glaube nicht, daß es gut ist, jetzt Klassenstunden zu halten.« 1931 waren also die Nichtanerkennung, Verdächtigung und gegenseitige Unterminierung der Anthroposophen untereinander bereits so weit fortgeschritten, dass ein tatkräftiges Mitglied des Dornacher Vorstandes bezweifelte, dass es in einer solchen Situation gut sei, Klassenstunden zu halten!
Gedanken zur aktuellen Menschheitskrise
Das heute global vorherrschende materialistische Denkmilieu hat der Bewirtung einer Weltanschauung Vorschub geleistet, innerhalb derer sich auch die Vorstellung von so etwas wie einem »Virus« in unser Denken, Fühlen und Wollen eingenistet hat. Sowohl diese Vorstellung als auch das aktuell damit in Zusammenhang gebrachte Krankheitsbild entspringen derselben unwahrhaftigen Fehlausrichtung unseres Denkens. Dieses Fehldenken ist die Grundlage für die Krise, in der sich die Menschheit aktuell befindet. Indem im vorliegenden Aufsatz das materialistische Denkmilieu infrage gestellt wird, soll er einen Boden dafür bereiten, auf dem wir stattdessen zu Wirten für Wahrheit und Gesundheit gedeihen können:• Er will den Weg eines spirituellen (nicht materialistischen) Verständnisses der gegenwärtigen Corona-Krise aufzeigen;• er hinterfragt die Denkweise, Viren als Krankheitserreger aufzufassen;• und er will einen Beitrag zur Entängstigung und Normalisierung leisten:a) indem aufgezeigt wird, was wir als Menschen tun können,um gesund zu bleiben;b) indem der Blick von der Angst vor dem Virus auf ein Vertrauen in das Leben und in eine göttlich-geistige Führung der Menschheit umgelenkt wird.
Zum Umgang der Menschheit mit dem Corona-Virus
Große Teile der Menschheit lassen sich gegenwärtig durch das Auftreten des neuartigen Corona-Virus in Angst und Schrecken versetzen. Zahlreiche Länder dieser Erde führen ihr soziales und wirtschaftliches Leben nur mehr in sehr eingeschränkter Form weiter. Veranstaltungen müssen abgesagt werden, Restaurants müssen schließen, Versammlungen sind verboten. Kurz: Wir können erleben, wie sich in eigentlich demokratischen Staaten mehr oder weniger stark autoritäre Tendenzen geltend machen. Und wir sehen mit Erstaunen, wie bereitwillig das von den Menschen akzeptiert wird.
Eine Zwischenbetrachtung zum Zeitgeschehen
Das Rechtsleben reduziert sich auf ein Machtleben, wenn es nicht in richtiger Weise Impulse aus dem geistigen Leben empfängt. Aufgabe der Waldorfpädagogik ist es, das Augenmerk auf die Entwicklung des mittleren Menschen zu lenken. Gelingt dies in der Schulzeit nicht, so sind die Menschen äußeren Bildern schutzlos ausgeliefert. In dieser Zwischenbetrachtung wird gezeigt, wie das Rechtsempfinden gegenwärtig in ein Angst-Empfinden umschlägt, das die Demokratie zerstört. Und anhand eines Beispiels aus dem freien Geistesleben wird angedeutet, auf welchem Wege Heilung möglich ist.
Die soziale Dreigliederung als Aufgabe der Waldorfpädagogik – Teil II
Der erste Teil dieser Serie ist der Frage nachgegangen, inwiefern die Erziehung im ersten Jahrsiebt die Entwicklung eines freien Geisteslebens im späteren Erwachsenenalter begünstigen oder behindern kann. Der zweite Teil verfolgt dieselbe Frage in Bezug auf das zweite Jahrsiebt und das Rechtsleben. Die Brücke zwischen dem Rechtsleben und der Erziehung im zweiten Jahrsiebt führt über ein Verständnis der Atmungs- und Kreislaufprozesse. Wenn es gelingt, der Entwicklung dieses mittleren Systems im Menschen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, kann sich auch auf gesellschaftlicher Ebene, zwischen Geistesleben und politischem Staat, ein mittlerer Bereich ausbilden.
oder: Freiheit, Gleichheit – Brüderlichkeit!
Die Gender-Debatte wird mit zunehmender Erbitterung geführt. Wie ein Stellungskrieg, in dem sich zwei feindliche Parteien mit Argumenten beschießen. Das hat keinen Sinn! Was geschlechtergerechtes Handeln bedeutet, eine der wichtigsten Zeitfragen, spielt selbstverständlich im Milieu der Sprache eine Rolle: als Problem der Verständigung. Wie wir sprechen, so denken wir – miteinander. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Damit ist das Problem ausgesprochen, und beinahe automatisch tritt damit auch eine Positionierung ein. In Bezug auf letzteres scheint es nur zwei Optionen zu geben: entweder den Begriff der Brüderlichkeit in seiner wörtlichen Erscheinung zu verteidigen, oder das Wort als anachronistisch-patriarchale Erscheinung aufzufassen, die außerstande ist, den entsprechenden Begriff zu aktualisieren. Natürlich geht es hinter den Kulissen des Sprachlichen um den Auftritt der Begriffe oder Ideen. Auf dieser Ebene handelt es sich um die Frage, wie wir Sprache selbst verstehen, welche Idee von ihr dem Denken zugrunde liegt. Wieder zwei Positionen. Ist sie ein beliebiges Konstrukt, ein Transportmittel, Fahrzeug – wie ein Schiff, dem wir eine Ladung von Bedeutung mitgeben, oder ist sie selbst wesentlich das, was wir sind, durch sie: schöpferisches Medium unserer Menschenwürde?
Unmittelbar nachdem die ›Philosophie der Freiheit‹ erschienen war, überbrachte Rudolf Steiner sie am 14. November 1893 persönlich dem von ihm hochgeschätzten Eduard von Hartmann. Dieser machte sich sogleich an die Lektüre und konnte Steiner seinerseits schon eine Woche später sein mit ausführlichen Randbemerkungen versehenes Exemplar zur Ansicht übersenden. In diesen Randbemerkungen kommt Hartmann zu einer wahrhaft vernichtenden Beurteilung der ›Philosophie der Freiheit‹, die er zusammenfassend als »Unphilosophie« bezeichnet. Mit diesem Urteil setzte sich Steiner erst 1917 in dem Aufsatz ›Die Geisteswissenschaft als Anthroposophie und die gegenwärtige Erkenntnistheorie. Persönlich-Unpersönliches‹ auseinander. Dort meint er, Hartmann habe zwar geahnt, dass die ›Philosophie der Freiheit‹ aus dem Begrifflichen hinausführe, doch höre für diesen jede Philosophie dort auf, wo für ihn das beginne, was er später als die höheren Erkenntnisarten beschreiben sollte.
Vom »leeren Phantom« der Wahlfreiheit zur freien Entscheidung
Es ist nicht leicht, den beweglich-prozesshaften Gedanken Rudolf Steiners im ersten Kapitel seiner ›Philosophie der Freiheit‹ zu folgen. Dort setzt er sich mit David Friedrich Strauß, Herbert Spencer und Baruch de Spinoza als Freiheitsgegnern auseinander. Eva-Maria Begeer-Klare führt in einer feinen und überzeugenden Art einen Weg durch diese Gedanken und Argumente, sie ruht auf ihnen, wendet sie in die eine und die andere Richtung. Was bei Steiner in wenigen Seiten abgehandelt ist, entwickelt sich in ihrem abwägenden Denken zu einer ganzen Welt.
Weitere Aspekte zur Sozialen Dreigliederung in methodischer Hinsicht
Rudolf Steiners Schrift ›Die Kernpunkte der sozialen Frage‹ (GA 23) und überhaupt seine gesamten sozialwissenschaftlichen Äußerungen erfordern eine Vertiefung des Denkens. Erst dadurch können ihre hochaktuellen Willensmotive und letztendlich ihre Bedeutung für ein neues Rechtsempfinden erfasst werden, wie in einem früheren Aufsatz darzustellen versucht wurde. Der folgende Aufsatz widmet sich einigen Aspekten sozialer Gestaltung, wie sie aus Steiners eigenem sozialen Wirken unmittelbar abgelesen werden können.