Perspektiven für den Umgang mit Grundlagentexten
Waldorfpädagogik und die ihr zugrunde liegende Anthroposophie Steiners sind bis heute umstrittene, oft auch emotional belastete Spezialbereiche akademischer Forschung geblieben. Ernst-Christian Demisch, Christa Greshake-Ebding, Johannes Kiersch, Martin Schlüter und Gerhard Stöcker vom Institut für Waldorfpädagogik in Witten/Ruhr zeichnen für die Herausgabe eines Sammelbandes verantwortlich, der dazu beitragen möchte, die vorurteilslose und um Fairness bemühte Art der Diskussion, die sich inzwischen bei maßgeblichen Fachleuten abzeichnet,1 auf eine breitere Grundlage zu stellen. Im Hinblick darauf haben sie während der letzten beiden Jahre einen Studienkreis betrieben, der Möglichkeiten eines innovativen Umgangs mit Texten Steiners erwogen und erprobt hat. Wir drucken hier die grundlegende Einleitung von Johannes Kiersch ab, die aus unserer Sicht wesentliche methodische Gesichtspunkte für eine zeitgemäße Steiner Forschung in die Diskussion bringen kann. Das Erscheinen des Bandes ist für Ostern mit dem Titel Steiner neu lesen. Perspektiven für den Umgang mit Grundlagentexten der Waldorfpädagogik (Peter Lang Verlag) angekündigt. Er versammelt Beiträge aus diesem Studienkreis, ergänzt durch einige wichtige Texte aus anderen Zusammenhängen (zum Teil aus dieser Zeitschrift stammend),2 die spezielle Aspekte des Themas behandeln.
Die Entdeckung der Autonomie bei den Griechen
Adelbert Reif im Gespräch mit dem Altphilologen Helmut Flashar
Friedrich der Große und die Epochenscheide 1763
Von sibirischer Erde, dem Geruch von Bären und der machtvollen Milde des Sees
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Marshall B. Rosenberg und Rudolf Steiner
Michael Kurtz im Gespräch mit der australischen Komponistin Eve Duncan
Rudolf Steiner über Arbeiterrräte und Sozialisierung im Sinne der Dreigliederung des sozialen Organismus
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand in Deutschland kurzzeitig eine basisdemokratische Rätebewegung, die von bürgerlicher Seite stark bekämpft wurde, auf die Rudolf Steiner aber im Rahmen seines damaligen politischen Engagements erstaunlich positiv zuging. – Stephan Eisenhut untersucht anhand eines neu erschienenen Bandes in der Gesamtausgabe, welche Rolle Arbeiter- und Betriebsräte in einem dreigegliederten sozialen Organismus spielen könnten, wobei auch grundsätzliche Schwachpunkte unserer gegenwärtigen Demokratie zur Sprache kommen.
Entwicklungserlebnisse im Lenbachhaus München
Zum Jahrbuch für Goetheanismus 2013
Mythos des Namens und Wirklichkeit des Flusses
Was ist ein Fluss? Jedermann glaubt es zu wissen, doch es genau
zu benennen, fällt schwer. Ist er ein Ding? Ein Lebewesen? Ist er
ein physikalisches System von Abflussprozessen? – »Ein Fluss
ist ein lebendiger biologischer Organismus«, wird ein naturwissenschaftlich
gebildeter und ökologisch bewusster Mensch von
heute antworten. Trotzdem behandelt die moderne Zivilisation
ihn als eine Sache, die genutzt, bedürfnisgerecht gestaltet und
entsprechend geformt wird.
Andererseits verwandelt der Mensch aus einem richtigen Gefühl
heraus unwillkürlich jeden Fluss in ein anthropomorphes Gebilde.
Er sieht in ihm die eigene Biografie gespiegelt. Der Fluss
ist Metapher für viele Lebensprozesse, Temperamentslagen und
menschliche Gefühle....
Betrachtung eines Bildes von Eugène Delacroix
Das Gemälde »Die Barke Christi auf dem See Genezareth« von dem französischen Maler
Eugène Delacroix zeichnet sich durch eine große Vielschichtigkeit aus. Man kann es äußerlich
als Seefahrtsbild nehmen – oder metaphorisch als »Lebensfahrt« des Menschen
deuten. Man kann darin eine Darstellung sozialer Vorgänge – des Miteinandes der Menschen
in »einem Boot« – erblicken, es aber ebenso als Bild für den einzelnen Menschen
verstehen, wobei das Meer als Ausdruck für das Seelische des Menschen erlebt werden
kann. Darüber hinaus kann man es als christliche Mysterienfahrt begreifen, bei welcher
der Betrachter in die Nachfolge Christi miteinbezogen wird. Es wäre dann nicht nur als
Schilderung der biblischen Erzählung, sondern in einem durchaus überzeitlichen Sinne
aufzufassen. Der folgende Artikel weist auf spirituelle Zusammenhänge hin, die bei näherer
Betrachtung in dem Bild aufleuchten können.
Rudolf Steiners Kunst der offenen Esoterik, Teil I
Der folgende Artikel ist eine Fortsetzung von David W. Woods Forschungsarbeit zu historischen
Persönlichkeiten, die den Charakteren in Rudolf Steiners Mysteriendramen zugrunde
liegen. Diesmal wird der Autor versuchen, den realen Menschen hinter der Seherin
Theodora aufzudecken, die wiederum eine Metamorphose der Figur des Habichts in Goethes
Märchen ist. Sowohl Theodora als auch der Habicht vereinigen zwei Elemente in sich:
Sie spiegeln den letzten Glanz einer vergangenen Epoche, bevor sie die ersten Strahlen
einer neuen Morgenröte empfangen.
Richard Baumann im Gespräch mit Angela Vogt-Burgdorfer über ihre Seidenapplikationen
Die Zwölfheit des Tierkreises beschäftigt die Menschen seit alters her, sei es als konkrete Sternbilder am Himmel, sei es als differenzierte makrokosmische Kraftwirkung auf den Mikrokosmos Mensch, seinen Leib und sein Leben. Die mythischen Bilder wurden zu Zeichen kondensiert und regten vielfach Künstler an, sie zu gestalten. So auch die Textilgestalterin und Maltherapeutin Angela Vogt-Burgdorfer aus Zürich. In ihren Seidenapplikationen gestaltet sie, angeregt durch die Anthroposophie, innerlich erfahrene Kräftewirkungen zu zeichenhaften Bildern. Dabei wirken geometrische Formen, farbige Klänge und bewegende Kräfte auf jeweils spezifische Weise zusammen, das Verhältnis von Zentrum und Peripherie immer wieder neu ergreifend. Die stark auf Licht reagierende farbige Seide bezieht auf geheimnisvolle Weise den Raum mit ein, was in der Reproduktion kaum wiedergegeben werden kann. – Beginnend mit dem Widder im April werden die Tierkreisbilder von Angela Vogt-Burgdorfer – jeweils mit einem spruchartigen Text von ihr – die Drei nun ein Jahr lang begleiten. Richard Baumann1 stellt die Künstlerin und ihre Arbeitsweise im folgenden Gespräch vor.
Soziale Landwirtschaft für Mensch und Natur
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft feiert 2014 ihr 90-jähriges Bestehen. Kurz nach dem Landwirtschaftlichen Kurs zu Pfingsten 1924 hielt Rudolf Steiner seinen Heilpädagogischen Kurs und viele biologisch-dynamisch wirtschaftende Höfe bezogen von Anfang an in ihre Landbewirtschaftung soziale und pädagogische Arbeit mit ein. Inzwischen werden europaweit »Soziale Landwirtschaft« und Green Care als Potenziale einer multifunktionalen Landwirtschaft entdeckt. Darin ist mehr veranlagt als neue Einkommensmöglichkeiten für Bauernhöfe oder die Nutzung der Landwirtschaft als »Setting« für Soziale Arbeit. Parallel zur Inklusion von Menschen mit Hilfebedarf ergibt sich die Perspektive einer »sozialeren« Landwirtschaft, die die Naturgrundlage nicht nur zu therapeutischen Zwecken nutzt, sondern bewusst die Frage nach Entwicklungsperspektiven der Naturreiche stellt. Ihnen verdankt der Mensch seine Entwicklungsmöglichkeiten auf der Erde. Was ansteht ist eine Umkehr der Blickrichtung vom Nutzen, Benutzen und Ausnutzen, vom Nehmen zum Geben: Wie kann die Natur auf einen Entwicklungsweg mitgenommen werden?
Rudolf Steiners Kunst der offenen Esoterik, Teil II
David W. Wood bleibt auch im zweiten Teil dieses Essays auf der Spur der Seherin Theodora, einer wichtigen Figur in Rudolf Steiners Mysteriendramen. Im Folgenden untersucht er in detaillierter Weise Theodoras Beziehung zum esoterischen Christentum und das Geheimnis ihres Namens. Er überlässt aber dem Leser selbst die Entscheidung, ob Theodoras Identität im realen Leben tatsächlich verborgen oder doch ein offenbares Geheimnis im Goetheschen Sinne ist.
Eine Lichtsuche
Früher dachten wir: Hier stehe ich und um mich dreht sich alle Welt. Ich schaue von meinem konzentrierten Standpunkt aus, und dort draußen sind die andern. Von meinem eigenen Innesein her verorte ich die Umgebung. Dies ist nicht länger als Voraussetzung gegeben. Die Konzentration auf sich selbst ist keine natürliche Lage mehr, sondern geradezu ein Kunststück geworden. Heute fällt der Blick auf die Welt von außen, aus dem Umkreis.
Zur Krise der Immunsysteme
Unsere leiblichen Kontaktflächen zur Welt sind aus verschieden differenzierten, sensiblen Grenzmembranen gestaltet, über die wir einerseits die Welt in vertrauter Weise berühren und spüren, andererseits aber auch von der Welt in immer wieder neuer schmerzhafter Art überfremdet und verletzt werden. In der Überwindung des Fremden entwickeln sich in uns immer wieder neue Organe der Wahrnehmung – im steten Rhythmus von Schmerz und Reifung. Am Beispiel der modernen Krankheiten wie den Allergien, Asthma, Neurodermitis, aber auch der Karzinombildung soll gezeigt werden, dass die sensiblen Grenzmembranen des heutigen Menschen immer mehr »wund« werden und auf ihre Heilung durch eine neue Aufmerksamkeit, eine höhere Sinnlichkeit warten. Auf der leiblichen Ebene geht es um die Metamorphose vom Immun- zum Nervensystem, die es zu verstehen gilt.
Während frühere Generationen ihrem Schicksal kaum ausweichen konnten und ihr Spielraum oft nur darin bestand, das Beste aus dem ihnen Widerfahrenden zu machen, besteht in der Gegenwart die große Herausforderung, mich in den vielen Möglichkeiten der Lebensentwürfe nicht zu verlieren. Wie kann ich überhaupt wahrnehmen, ob ich mit einer Situation, einer Menschengemeinschaft, einem Ort, einer Aufgabe etc. zu tun habe?
Wären wir anders in der Welt zugegen, wenn wir uns aktiv der faktischen Fremdheit aussetzen würden, statt sie bloß zu erleiden, wenn nicht gar zu verdrängen oder zu bekämpfen? Mir kommt der Satz: Wir müssen uns seelisch fremd werden, um uns geistig näher zu kommen.
oder: Das Haus der Seele im Wandel der Zeiten
Wir sind heute längst dabei, das Haus der Seele wieder zu verlassen und die ganze Welt zu unserem Haus zu machen – auch wenn wir mit den Entwicklungen nicht immer ganz mitkommen und sie uns zu überrollen drohen.8 Noch nie hat es vergleichbare Möglichkeiten gegeben, Fremdes kennenzulernen oder so umfänglich zu kommunizieren wie heute. Wir erfahren nahezu in Echtzeit von den Katastrophen und Kriegen auch in den entferntesten Ländern und können die Erde in ihrer Verletzbarkeit und mit ihren Verletzungen jederzeit via Internet aus dem Weltraum betrachten. Nicht nur Tsunamis, sondern auch Wellen der Anteilnahme gehen um die Erde, z.B. wenn ein Mensch wie Nelson Mandela stirbt. Und noch nie gab es einen so intensiven und befruchtenden Austausch zwischen den Religionen der Welt und vernetzen sich immer mehr meditierende Menschen aus allen Kontinenten im Dienste eines gemeinsamen Bewusstseins für Erde und Mensch.
Aus Mitteleuropa ins Reich der Mitte
… Über die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Bedingtheiten hinaus sind wir veranlagt, den Rufen für die Entwicklung des Ich als geistigem Führer Raum zu geben. Mit dem Wissen um unsere Welt, mit den Kenntnissen, dem globalisierenden Vorstellen wachsen Haltepunkte für die Person. Sie muss darauf achten, mit dem Potenzial ihres seelischen Gefüges zu einer Verbindung und menschlichen Erweiterung mit der Welt zu kommen. Die Gefahr, engstirnig und kleingeistig bei sich und begrenzten Gruppeninteressen zu verharren, sich in Ressentiments abzugrenzen, verzerrt die Ansätze eines Weltbewusstseins. Egoismen und faschistische Strukturen mit totalitärem, diktatorischem Charakter teilen ein in Eigenes und Fremdes und polarisieren zur Bestätigung einer vermeintlichen Stärke.
Aus Mitteleuropa ins Reich der Mitte
Der erste und auf Dauer auch bleibende Eindruck von China besteht in den Menschen. Unversehens findet man sich inmitten von für europäische Verhältnisse kaum vorstellbaren Menschenströmen, die bei manchen Besuchern alle möglichen Schreckvisionen aktivieren, für andere dagegen ein geradezu festliches, wenn auch unverstandenes Erleben bedeuten. Man betritt eine Welt, die »anders« ist, und man begreift: Alle gängigen Vorstellungen von China sind zu knapp, zu einfach, wenn nicht gar irreführend – vergiss, was du über China gehört hast und versuche selbst zu verstehen.
Von der Schwierigkeit, in Beziehungen zu leben
... Genau diese Beharrungstendenz, nichts Neues zu wagen, entfremdet uns von uns selbst – warum? Wenn wir ohne Risiko und Experiment nur unsere Automatismen und Gewohnheiten bedienen, erringen wir nie neue Sichtweisen, Erfahrungen und Handlungsoptionen. Sind wir dagegen mutig, so werden wir hoch belohnt mit mehr Selbstvertrauen, Selbsterkenntnis und Freiheit. So schaffen wir in uns selbst die Voraussetzungen, auch Unbekanntes in anderen Menschen und anderen Kulturen zu verstehen, zu achten, zu schätzen und diese nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung zu erfahren.